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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod
Autoren: Volker Ferkau
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Erinnerungen von Max , und doch ergab der neue Blickwinkel ein völlig anderes Bild.
    » Wir hatten eine alte Garage ...«
    » Davon hat er mir was gesagt.«
    » Ja? Dann ist er Ihnen gegenüber sehr, sehr offen gewesen. Allerdings bin ich sicher, dass seine Version nicht meine ist.« Er leerte die Kaffeetasse. Schwer lag die Luft im Wohnzimmer. Lena stand auf und öffnete ein Fenster. George nickte dankbar und fuhr fort.
    » Mir fiel auf, dass Max immer wieder zu der Garage ging, nein, er schlich dorthin. Es war unverkennbar, dass er nicht dabei gesehen werden wollte. Ich folgte ihm, öffnete die Tür und sah ihn. Er saß auf einem alten Küchenstuhl. Seine Beine und ein Handgelenk hatte er mit Drähten umwickelt. Sein Kopf lag im Nacken. Um die Stirn hatte er einen ganz normalen Hosengürtel geschlungen. Er masturbierte. Nicht etwa mit Genuss, sondern mit einer Härte, die unvorstellbar war. Ich war schockiert, er auch. Er starrte mich an, konnte sich aber nicht schnell genug von seinen Fesseln lösen, um sich zu verstecken. Vermutlich wäre er am liebsten in ein Mauseloch gekrochen. Um ihn nicht noch mehr zu beschämen, drehte ich auf der Stelle um und ging weg. Wir sprachen nie darüber, denn nichts ist einem Jungen peinlicher, als bei der Selbstbefriedigung erwischt zu werden.«
    » Er sagte, Sie hätten die Apparatur des Experiments nachgebaut und ihn gebeten, ihm bei einer Wiederholung des Experiments zu assistieren.«
    » Er war es, der mich anflehte, diese Apparatur zu bauen. Er wollte wissen, ob die Menschen sich verändert hatten. Vielleicht glaubte er mir auch nicht und wollte mir das Gegenteil beweisen. Er wollte mein Gehilfe sein, doch ich tat es selbstverständlich nicht. Ich begriff sofort, dass er sich mit dieser Attrappe eines elektrischen Stuhles einen Fetisch gebaut hatte, dass seine Sexualität in falsche Bahnen lief. Und ich, Lena, ich war schuld daran.«
    Er beugte den Kopf, seine Schultern fielen vornüber.
    Der alte Mann tat ihr leid, doch sie hatte Probleme, das Gehörte zu glauben. Wenn das stimmte, war Max ...
    Sie dachte den Gedanken nicht zu Ende.
    Er war zu schrecklich.
    George blickte auf. Seine Augen schimmerten feucht.
    » Ich zerstörte den Stuhl und von diesem Tag an schien alles seinen normalen Weg zu gehen. Max war ein guter Schüler. Er sagte mir, er wolle Psychologe werden, um Menschen zu helfen. Ich antwortete, da müsse er sich anstrengen, und er wollte es tun. Dann kam ein Abend, der alles veränderte.«
    Lena war nicht sicher, wie viel sie noch ertragen konnte, doch jetzt war es zu spät, um abzubrechen.
    »Max kam von der Berufsschule, als er in die Hände einer Gruppe Punks geriet. Damals gab es noch echte Punks. Sie hörten die Sex Pistols und die Sicherheitsnadeln in ihren Wangen waren kein Modeschmuck. Sie forderten Anarchie und waren die meiste Zeit über besoffen oder bekifft. Ihnen schien mein Sohn ein Dorn im Auge zu sein, also provozierten sie ihn. Schließlich prügelten sie ihn zusammen. Die Polizei kam rechtzeitig, um das Schlimmste zu verhindern. Man brachte Max ins Krankenhaus. Dort lag er mit schweren Schädelverletzungen im Koma.« George machte eine kleine Pause. »Ich glaube, Sie verstehen, was ich meine. Die Punks konnten fliehen. Kein Passant hatte Max geholfen.«
    » Deshalb ...«, stöhnte Lena. »Weil er Ähnliches erlebte wie ich. Nur, dass er das Opfer war. Oh, lieber Gott. Wenn Sie die Wahrheit sagen, wenn das wirklich stimmt, ist er krank. Dann ist er sehr krank.«
    » Ich könnte alles beweisen. Aber nicht jetzt. Bleiben wir bei Max. Er überlebte«, sagte George, »nachdem er über zwei Jahre im Koma gelegen hatte.«
    Lena schluchzte laut. Das ging über ihre Kraft.
    ZWEI JAHRE!
    » Sie haben es gleich geschafft«, sagte George.
    » Ich halte es durch«, flüsterte sie.
    » Als er erwachte, hatte er sich völlig verändert. Er ging zwei Semester auf die Uni und studierte Psychologie. Eine ganze Zeitlang übte er sich in verschiedenen Kampfsporten. Jemand hatte ihm gesagt, asiatische Kampfsportarten würden ihn zu seiner inneren Mitte bringen, sodass er sich besser fühlte.«
    Deshalb hat er dem Jungen mit einer Armbewegung das Genick gebrochen!
    »Es funktionierte nicht. Also begann er zu saufen. Zwischendurch hatte er immer wieder Ausfälle. Dann wurde er entweder müde oder von grausamen Dämonen gepeinigt und war voller Hass. Er wollte nicht mehr bei mir wohnen und ich zahlte ihm eine kleine Wohnung. Hin und wieder besuchte ich ihn. Dann lag
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