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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod
Autoren: Volker Ferkau
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kleiner Junge, der seinen Alten überbewertete. George war marode, war nur noch ein Sack voller Knochen, der sich einigermaßen aufrecht hielt. In gezielter Schlag würde ihn fällen. Es wurde Zeit, dieses amerikanische Monument vom Sockel zu stoßen.
    Max atmete schwerer und schwerer.
    Aggression bemächtigte sich seiner, so allgewaltig, dass sein ganzer Körper kribbelte.
    Er begriff, dass er sich zum Sklaven gemacht hatte.
    Zum Sklaven seiner Mutter, die er die Treppe hinabgestoßen hatte,
    (Schlampe!)
    seines Vaters, der ihn mit grausamen Spielen gequält hatte,
    (Mistkerl!)
    und Lenas, die ihn mit ihrem duftenden Körper und ihren verschissenen Träumen aufs Glatteis geführt hatte.
    (Liebste!)
    Hatte, hatte, hatte.
    Nun galt das ist, ist, ist!
    Er würde Lena töten. Dann seinen Vater. Und anschließend?
    Das interessierte ihn nicht. Seine Therapie würde mit den beiden Taten ihr Ende finden. Eine Therapie, die zu viele Jahre gedauert hatte. Der Grund, warum er Psychologie studiert hatte, wäre erfüllt. Er wäre geheilt.
    Endlich.
    Nun weinte er. Nicht aus Trauer, nicht aus Liebe. Sondern aus Rührung über seine eigenen Gedanken, über seine Fähigkeit, große Emotionen zu entwickeln. Was war Shakespeare neben ihm? Was ein Dickens? Ein Dostojewski? Ein Stendhal? Es war das Weinen eines Künstlers, der sein eigenes Werk zu begreifen versucht.
    Das hier war Realität und übertraf jeden Lear, Hamlet oder Macbeth. Das waren Gefühle, die einen Menschen ausmachten und erforschten, ausloteten und an seine Grenzen trieben.
    Begriffen und geformt von Dr. Maximilian Jung.

43
     
    »Er ist entkommen und er wird sie töten!«, schrillte Elvira Kreidler. »Noch nie waren wir so nahe am Täter. Und wieder entwischt er uns.«
    » Er war verkleidet«, sagte ein junger Beamter.
    Donald schwieg und musterte seine große Liebe. Sie wollte nur eines, vermutete er: den Fall abschließen und die Professur in Stuttgart annehmen. Aber wie hatte sie gesagt? Ein ungeöffnetes Osterei ließ sie nicht zurück. Das sprach für sie, aber auch für ihren übermäßigen Ehrgeiz. Es würde immer wieder ein neues Osterei geben.
    » Das Zünglein an der Waage ist nach wie vor der geheimnisvolle Mann im Trenchcoat. Inzwischen wissen wir, dass er Mantel und Hut im Kaufhaus Alexa gekauft hat. Auch hier gibt es leider keine Bilder, die den Mann identifizieren. Wer also ist er?«
    Donald fragte: »Wer ist Max Jung? Offensichtlich hat er den Nachnamen nur angenommen. Wie also heißt er wirklich?«
    » Das Netz zieht sich zu«, sagte Elvira Kreidler und ausnahmsweise sah sie zufrieden aus. »Wir werden den echten Namen des falschen Psychologen herausfinden. Dann sind wir noch näher an ihm.«
    » Und was, wenn er heute sein Versprechen einlöst?«, fragte ein Kollege.
    Donald sagte: »Sie fragen, ob er heute Abend noch unsere Kopftuchfrau tötet?«
    » Ja.«
    Elvira Kreidler sagte: »Unsere Fachleute nehmen an, dass seine Warnung aus dem Affekt geschah. Wie ein Hund, der bellt, aber nicht beißt. Falls er Lena Mora wirklich liebt, wird er sie nicht töten. Dennoch war seine Enttäuschung, dass sie nicht filmte, sondern wegging, für ihn ein Schock.«
    » Da wäre ich nicht so sicher«, murmelte Donald.
    Ein feuriger Blick traf ihn.
    Und erneut widersetzte er sich Elviras Meinung.
    Und wieder würde er die Nacht alleine verbringen.
    »Warum glauben Sie das, Kollege Stark?«
    » Jemand, der bereit ist, zweimal an derselben Stelle in aller Öffentlichkeit einen Mord zu verüben, ist ein Mann mit Prinzipien. Das ist kein Spieler, sondern jemand, der weiß, was er tut. Ich unterstelle ihm, auch im größten Zorn nur Dinge zu sagen, die er auch erfüllt. Er ist kein Schwätzer. Niemand, der blufft. Sondern ein Mann, der seine Obsession auslebt.«
    » Das klingt fast, als bewunderten Sie ihn, Kollege.«
    Donald grinste. »Wann haben wir es heutzutage noch mit Menschen zu tun, die so große Eier haben, ihren Worten Taten folgen zu lassen? Wer, von allen die wir kennen, hätte den Mut besessen, ein zweites Mal an den Tatort zu gehen, um der Gesellschaft erneut einen Spiegel vorzuhalten?«
    » Ich glaube, Sie gehen zu weit, Herr Stark.«
    » Das glaube ich nicht, Frau Kreidler«, sagte Donald. »Nur wenn wir das Verhalten dieses Mannes wirklich begreifen, nehmen wir ihn ernst. Deshalb bin ich sicher, er wird seine Drohung so schnell wahrmachen, wie er kann, egal, wo er sich derzeit aufhält. Dieser Mann ist nicht nur clever, sondern hochintelligent. Keiner,
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