Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
hast, dürfte ihr gehören. Drüben im Gebüsch lag ihr Rucksack. Alles drin. Geld, Kreditkarten, Schlafsack, Garderobe. Ein Ticket von Reykjavik nach Hamburg. Vor sechs Wochen. Und ein Rückflug aus Wien. In einem Monat. Man stelle sich vor: Sie wollte zu Fuß bis zum Balkan. Ist jetzt wohl Mode. Europa per pedes.
    Swoboda nickte.
    Und läuft hier ihrem Mörder in die Arme. Wo ist Gott? Hat einer von euch eine Zigarette?
    Du bist Nichtraucher.
    Nein, protestierte Swoboda. Ich bin kein Nichtraucher, ich rauche nur nicht. Aber jetzt würde ich gern rauchen.
    Nicht im Wald, sagte Törring. Lass uns fahren, bevor es dunkel wird. Dann komm ich mit dem Wagen hier nicht mehr durch.
    Ich möchte zu Martina. Bringst du mich?

    Die edition niehaus wurde von Martina Matt unter dem Namen des Vorbesitzers ihrer Galerie betrieben. Seit sie ihr Erbe, das Hotel Korn am Mührufer, verkauft hatte, konnte sie sich leisten, auszustellen und zu drucken, was ihr gefiel.
    Günther Korells Herbstgedichte – er hatte sie zuvor ohne Erfolg an fast alle großen, mittleren und privaten Verlage versandt – waren ihr als ungewöhnlich dunkel aufgefallen, doch die tragende Melancholie in den Versen hatte sie für den Autor eingenommen.
    Bei einem Besuch des jungen Korell im Verlag lud sie ihn zum Essen ein. Er gefiel ihr, äußerlich und weil er so ganz anders war als seine Gedichte, nämlich begeisterungsfähig, einnehmend und voller Pläne.
    Nicht ganz uneigennützig erwähnte sie, dass in einer Villa des Ortes eine Wohnung zu haben sei, gegen etwas Hilfe im Alltag für eine begüterte, querschnittsgelähmte alte Dame. Keine Pflegetätigkeit.
    Korell hatte sich gedacht: Warum nicht Zungen an der Nelda? Die Provinz war noch dankbar, wenn ein Künstler sich für sie entschied. Er hatte seinen Entschluss nie bereut. Im Gegenteil: In Freyas Haus zu leben, wo er den ganzen ersten Stock und, wenn er wollte, auch das Dachgeschoss nutzen konnte, empfand er als Privileg, das er sich durch seine Sprachkunst verdiente.
    Während er sein Gedicht Road of my Life vor sich hin sprach, spürte er ein Brennen in seinen Augen. Waren das Tränen? Warum? Alles war, wie es sein sollte. Er hatte sein Leben fest in der Hand
    Dass Freya ihn heute zurückgewiesen hatte, erklärte er sich mit dem Eindringen der Vergangenheit in die Gegenwart. Der Fund des schwarzen Soldaten Mboge hatte in Freyas Seele den Schmerz aus der Tiefe an die Oberfläche getrieben. Aber warum sprach sie in diesem Augenblick nicht mit ihm? Ihrem Sohn!
    Er legte sich auf die Couch neben seinem Schreibtisch und sah zu, wie es hinter den Fenstern langsam dunkel wurde. Hatte Freya kein Vertrauen mehr zu ihm? Seine Beine zuckten, als wollte vor der Frage fliehen.
    Im Haus unter ihm war alles still. Freya hatte offenbar nicht einmal den Fernseher eingeschaltet.
    Oben wartete das alte Atelier auf ihn, durch dessen Glasdach er den Himmel sehen konnte. Er stand auf und stieg die Eisentreppe hinauf.
    Unter der Fülle der Sterne in klaren Nächten wie dieser hatte er schon als Kind die Gewissheit empfunden, seiner Mutter nah zu sein. Diese Nähe war ihm geblieben, ja, sie hatte sich verstärkt, und er meinte, wenn er hier oben in seinem Bett lag und zu ihr hinaufsah, mit ihr sprechen zu können. Längst war er davon überzeugt, dass sie ihn nach Zungen an der Nelda gelenkt hatte, in dieses Haus, in die mütterliche Zuneigung von Freya Paintner.
    Seine Mutter hatte ihn gerettet, seine zarte Mutter, deren verrenkte Gestalt er zuletzt in einer Lache ihres Blutes hatte liegen sehen.

    Martina hatte das volle Deckenlicht in der Galerie eingeschaltet, um die Zeichnungen betrachten zu können, die auf dem langen Grafiktisch ausgelegt waren. Sie trug ein enges, hochgeschlossenes schwarzes Kleid. Swoboda hatte eine Zigarette von ihr geschnorrt und von der ermordeten Isländerin berichtet. Er stand gebeugt an der Glastür des Eingangs, wandte ihr den Rücken zu und sprach auf den Neldaplatz hinaus, auf dem gerade die Laternen angegangen waren.
    Am schlimmsten ist, dass ich überhaupt keinen Abstand zu den Taten finde und das Bedürfnis habe, den Kerl langsam auf eine möglichst schmerzhafte Art zu Tode zu quälen.
    Sie versuchte, sich während seiner Schilderung weiter auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Seit längerer Zeit schon konnte sie seine Geschichten vom Tod nicht mehr hören. Er schwieg, öffnete die Tür, warf seine Kippe hinaus, schloss die Tür und schwieg weiter. Martina sah auf die Uhr.
    Halb acht, wir

Weitere Kostenlose Bücher