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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt.
    Was Klantzammer vermeiden wollte, verstärkte er: Seine Erklärung hinterließ den Eindruck der Ratlosigkeit, und dass sogar die Kriminalpolizeien von Land und Bund eingeschaltet worden waren, alarmierte die Bürger, statt sie zu beruhigen.

    Michaela Bossi, Chefermittlerin im BKA, war im Kommissariat von Zungen an der Nelda nicht unbekannt. Zwei Mal hatte sie in den letzten Jahren mit Swoboda bei der Aufklärung von Verbrechen zusammengearbeitet, die wegen ihrer besonderen Brutalität und Schwere in die Zuständigkeit der Landes- und Bundesbehörden fielen. In beiden Fällen war es um organisierte Kriminalität gegangen.
    Neu war für sie, dass ihr Kollege, bei dem sie eine gewisse Anziehungskraft gespürt hatte, sich diesmal einer Begegnung entzog und ihr ausrichten ließ, er sei nicht mehr im Dienst. Sie empfand das als Kränkung.
    Die Kriminalhauptkommissarin beim Bundeskriminalamt war seit zwei Jahren geschieden, hatte ihr Haar kürzer schneiden lassen, das Blond beibehalten, im Gesicht und um die Hüften herum leicht zugenommen, was ihr gut stand, und war nicht mit einem Dienstwagen, sondern ihrem zwanzig Jahre alten Volvo Kombi unterwegs, für den sie eine dauerhafte Zuneigung empfand. Mit ihrem vierzigsten Geburtstag hatte sie ihre Nadelstreifenkostüme in Anthrazitgrau und Dunkelblau gegen schwarze Hosen und legere, farbige Jacken getauscht. Die Ponyfransen, mit denen sie ihre hohe Stirn kaschierte, waren auf Anraten der Friseurin aus dem alten ins neue Leben hinübergenommen worden. Daran erkannte Swoboda sie sofort, als sie unangemeldet in seinem Atelier auftauchte.
    Die Lederjacke, bei deren Anblick er reflexartig Krapplackrot hell dachte, irritierte ihn. Es war halb zehn, er stand im grauen Morgenmantel in der Tür, und Frau Bossi lächelte so unbefangen, als würde sie ihn jeden Tag aus dem Bett klingeln.
    Zu früh?
    Nein, wieso, brummte er und zog seinen Gürtelknoten fest. Immer nur herein, ich wollte nur grade duschen, wenn Sie so lange warten wollen?
    Im Atelierraum mit den beiden langen Farbentischen und dem Ledersofa, auf dem Swobodas Bettzeug lag, befand sich in der hinteren Ecke eine gläserne Duschkabine. Michaela Bossi zog sich in den zweiten Raum zurück, der durch einen offenen Mauerbogen mit dem Atelier verbunden war, dem Knick der Burganlage folgend aber nach Osten lag. Durch die Fenster floss Morgenlicht auf den frei stehenden Küchenblock mit angesetztem Tisch und Barhockern.
    Die freundliche Stimmung in dem hohen Raum verleitete die Kommissarin, etwas zu tun, was sie selbst als gewagt empfand. Sie suchte nach Kaffee, fand eine Packung mit Espresso, bald auch die italienische, in der Taille aufzuschraubende Aluminiumkanne dazu. Im Kühlschrank entdeckte sie einen Teller mit angegilbter Butter, zwei Becher Joghurt und eine geöffnete Plastikpackung rohen Schinken. Sie setzte den Espresso auf, suchte vergeblich nach Brot, stieß in einem Wandschrank auf eine angebrochene Packung Knäckebrot, im Fach darüber auf Geschirr. Die Besteckschublade zu finden, war am einfachsten. Noch immer kam aus dem Atelier das Geräusch der Dusche.
    Als Swoboda barfuß, in Jeans und einem weiten schwarzen Hemd die Küche betrat, sah er ein bereitetes Frühstück. Michaela Bossi lächelte ihn an und schob sich auf einen der Barhocker.
    Ich habe mich selbst eingeladen, tut mir leid, aber ich habe einen Riesenhunger. Kaffee?
    Im hellen Licht sah er, dass ihr Make-up nicht so dezent war wie seinerzeit, als sie gemeinsam einer mörderischen Sekte christlicher Fundamentalisten auf der Spur gewesen waren, die wie eine neue Inquisition gewütet hatte.
    Ja, danke, aber ich habe leider kein Brot im Haus.
    Sie deutete auf das Knäckebrot. Er lachte.
    Wusste gar nicht, dass davon noch was da war. Aber Sie hätten sich wirklich nicht solche Mühe machen müssen.
    War keine Mühe. Ich kenne Single-Haushalte, habe selbst einen. Übrigens: Hatten wir uns nicht zuletzt geduzt?
    Nein, sagte Swoboda. Wir kamen nicht dazu, Sie haben damals gesagt, wir könnten das Du beim nächsten Mal beschließen, spätestens nach dem nächsten Mord.
    Das wissen Sie noch?
    Wörtlich.
    Dann sind wir ja jetzt so weit. Morde genug.
    Wenn Sie sich mit einem erfolglosen Maler unbedingt duzen wollen …
    Er nahm zwei Weingläser vom Wandregal, eine halb volle Flasche chilenischen Sauvignon aus dem Kühlschrank, schenkte sehr wenig ein und reichte Michaela Bossi ihr Glas.
    Es ist zehn Uhr früh, sagte sie,

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