Mein ist der Tod
Reinheit.
Der Kahn beschleunigte sich, als er am Mäuseturm vorbei in die rascher fließende Nelda einschoss, und Ludwig Paintner stemmte sich gegen das Ruder, um den Bug auf das westliche Ufer auszurichten, wo zweihundert Meter flussabwärts die Stege der Fischerhäuser in die Nelda ragten.
Allmählich erkannten sie Konturen in der Finsternis. Der schwarze Himmel hob sich ab vom schwarzen Land. Der Vater drehte das Heck quer zur Strömung, sie trieben in Ufernähe und wurden langsam. Helmut beugte sich über die Kahnwand und griff nach dem Steg, an den sie anlegten, hielt das Boot, damit es nicht gegen die Pfosten schlug. Gernot stieg auf die Holzplanken und zog den Strick hinter sich her bis zu einem eisenbeschlagenen Poller, wo er ihn festschlang. Der Vater hatte den Riemen in die Kahnmitte gelegt. Helmut hob den Spaten heraus. Gernot schaltete die Taschenlampe ein und schob die rote Scheibe vor das Glas.
Am verlassenen Fischerhaus Nummer 3 waren sie angelandet. Kurz darauf standen sie vor der Tür des Hauses Nummer 5, wo Alois Dietz wohnte. Sie war verschlossen. Gernot lief hinters Haus und fand die hintere Flurtür so locker eingehängt, dass er sie aus den Angeln heben konnte. Der einfache Fallhaken, mit dem sie innen gesichert war, bot keinen Widerstand. Ludwig Paintner ging als Erster hinein, hörte aus dem Schlafzimmer rechts ein leises Schnarchen.
Als Alois Dietz erwachte, kam aus der Schwärze über ihm eine Hand und presste sich auf seinen Mund.
Eine Männerstimme sagte: Keinen Mucks, Dietz, dann passiert dir nichts. Wenn du auch nur einen Laut von dir gibst, wirst du erschossen. Jeder weiß, dass dir der Endsieg scheißegal ist. Und jetzt steh auf.
Die Hand gab ihn frei. Dunkelrotes Halblicht fiel auf den Zimmerboden. Der Fischer zitterte, wälzte sich an die Bettkante, richtete sich auf und stellte die Füße auf die kalten Holzbohlen. Langsam erhob er sich. Noch immer sah er nicht, wer ihn bedrohte. Er trug lange Unterhosen und ein langärmliges Unterhemd. Er fror und zitterte stärker.
Was willst du, flüsterte er.
Still, hab ich gesagt. Zieh dich an.
Jemand drückte ihm seine Hose in die Hand. Als er sie angezogen hatte, kam von der anderen Seite eine Hand mit seiner Jacke. Während er den Ärmel suchte, begann er zu überlegen. Er hatte kein weißes Tuch aus dem Fenster gehängt. Sie suchten den Fremden. Vielleicht hatte Freya ihn verraten.
Hier hört uns sowieso keiner, sagte er laut. Ihr könnte mich auch gleich umlegen.
Schnauze.
Er fühlte sich an beiden Oberarmen gepackt. Zwei Männer führten ihn aus dem Schlafzimmer und stießen ihn in den Flur. Der rote Schein lief mit. Es mussten Soldaten sein, die hatten alle diese flache viereckige Daimonlampe, deren Licht man mit einer grünen und einer roten Scheibe verringern konnte. In der Küche stolperte er. Am Luftzug und am Geräusch des Flusses erkannte er, dass jemand die Vordertür geöffnet hatte. Also waren es drei.
Sie stießen ihn auf dem Steg voran. Die Nacht war mild. Er wusste, was ihm bevorstand. Sie würden ihn nicht in sein Boot setzen, sie würden ihn zu den Fischen schicken. Den Stoß im Rücken spürte er kaum. Im Wasser hielt sich der Winter noch. Dietz wollte nicht schwimmen, aber er tat es und trieb auf dem dunklen Fluss davon.
Irgendwann überließ er sich dem, was kam.
Im Fischerhaus war das Licht angegangen. Helmut hatte am Ende des Stegs das Boot von Dietz losgemacht und stieß es in die Strömung. Gernot sah das Licht und rief seinen Vater. Der war schon in der Tür und stand dem Senegalesen gegenüber, der eine dunkelgraue Pferdedecke um die Schultern trug und vorn zusammenhielt.
Als er Paintner eintreten sah, versuchte er zu lächeln. Er hatte Polizei erwartet. Die beiden Söhne betraten die Küche. In ihren Gesichtern sah er, dass sie ihn töten wollten. Er schüttelte den Kopf. Gernot ging an ihm vorbei und holte aus dem Schlafzimmer den Spaten.
Plötzlich ließ der Schwarze seine Decke los und stürzte sich auf Ludwig Paintner, warf ihn gegen die Wand und drückte ihm die Kehle zu. Gernot holte weit aus und schlug die Spatenkante von hinten in den rechten Unterschenkel des Angreifers. Die Wade platzte auf, der Knochen splitterte, Yoro Mboge schrie, knickte ein und sank zu Boden.
Gernot stieß ihm den Spaten auf das linke Schienbein hinab und brach es. Ludwig Paintner stopfte dem Schreienden die Flößermütze in den Mund. Mboge bäumte sich auf, schlug mit den Armen um sich, verlor das Bewusstsein und
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