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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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nicht weniger heilig, nur weil du nicht dran glaubst, Aminata. Es war immer heilig und hat viele überzeugt, die nicht daran glaubten. Mich zum Beispiel.
    Du hast daran geglaubt, seit ich dich kenne!
    Erst seit du auf der Welt bist. Als ich sah, dass du weiß bist, habe ich angefangen, über das weiße Krokodil nachzudenken. Vorher habe ich es ausgelacht. Ich meine, was ist schon so ein Krokodil im Mond, weiß oder nicht, gegen unseren Herrn Jesus Christus am Kreuz!
    Er lachte, nahm seine Tochter in den Arm und hielt sie fest. Wie würde sie die Nachricht aufnehmen? Die Angst, sie zu verlieren, hätte ihn beinahe dazu gebracht, das ganze Unternehmen abzublasen und noch zu warten.
    Jahr um Jahr hatte Joseph Mboge den Tag hinausgeschoben, an dem Aminata die Wahrheit erfahren sollte. Im nächsten Monat wurde sie siebzehn.
    Was würde ihrer Seele geschehen, wenn sie anfing, in ihren Gedanken den Vorfahren zu begegnen? Die Ahnen lenkten Aminatas Leben, sie taten es bisher gut. Das Mädchen wusste nichts von ihnen. Doch wenn sie sich ihrer Ahnen schämen und ihren Zorn herausfordern würde?

    Sechzehn Jahre war das her.
    Die tief stehende Sonne schüttete ihr Feuer in die überschwemmten Uferflächen. Sie blendeten ihn. Er nahm einen Schluck Whisky, lehnte sich zurück, kniff die Augen zusammen und lächelte. Auf der kleinen Reise mit seiner Tochter in ihre und seine Vergangenheit war er trotz seiner Furcht vor der Wahrheit glücklich gewesen. Die Fahrt zu den Stromschnellen von Barra Kunda war für Aminata und ihn selbst eine wichtige Erfahrung gewesen. Vielleicht die wichtigste in ihrem gemeinsamen Leben. Seither verstand sie ihren Vater und liebte ihn mehr als zuvor. Er war damals neunundvierzig Jahre alt, und sein Leben war, verglichen mit dem nicht verheißungsvollen Beginn, glücklich verlaufen. Reich war er nicht geworden von den fünfhundert Dalasi Lehrergehalt im Monat. Doch seine Frau verdiente mit dem Gemüseverkauf aus dem Garten dazu, erledigte dann und wann Schreibarbeiten für Nachbarn, die nicht lesen konnten, und sie hatte den neuen Schulbau entworfen und dessen Statik berechnet. Das hatte ihr Anerkennung und eine Prämie vom Ministerium in Banjul eingetragen.
    Mboge wunderte sich noch immer, dass sie ausgerechnet ihn genommen hatte. Elternlos zu sein wie er, war in seinem Volk damals eine Schande. Mariama störte sich nicht daran.
    Was soll eine Mariama ohne einen Joseph?, hatte sie ihn lachend gefragt. Und ein Joseph ohne eine Mariama? Wir kriegen natürlich einen Sohn, hoffentlich läuft er nicht zu Fuß über den Gambia River!
    Sie hätte als Bauingenieurin in der Hauptstadt bleiben und bedeutende Projekte betreuen können. Dort gab es internationale Hilfsgelder, in Bansang kam davon nichts an.
    Mariama Nije war mit ihm aus Kerr Seringe Ngaga nach Bansang gezogen, als er hier eine Lehrerstelle erhielt. Sie hatte ihm geholfen, die Eltern in der Kleinstadt davon zu überzeugen, dass es wichtig war, ihre Kinder zur Schule zu schicken, auch wenn es keine gesetzliche Pflicht dazu gab. Und sie hatte 1977 die Tochter Aminata geboren, die den Nachnamen des Vaters erhielt: Ein weißes Kind. Nicht hell wie alle anderen Kinder hier bei ihrer Geburt. Weiß.
    Ein Schock.
    Eine Schande.
    Ein Wunder.
    Mariama wollte es nicht sehen. Sie weinte vier Stunden. Sie wusste, dass Joseph eine weiße Mutter hatte. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, ein so fremdes Kind zu bekommen. Als sie den kleinen, weißen Kopf an ihrer Brust spürte, hörte sie auf zu weinen.
    Nachbarn mieden schon tags darauf das Haus. Verboten ihren Kindern, in die Schule zu gehen. Andere kamen durch den hinteren Garten, gratulierten und wollten die Hand des Babys berühren, um von angeblichem Segen zu profitieren. Drei Tage später hieß es nicht nur in Bansang, auch in Jabel Kunda, hinunter bis Sare Dadi und hinauf bis Tuba, meist geflüstert, oft hinter vorgehaltener Hand, dass der Lehrer Joseph Mboge und seine Frau Mariama Nije, beide vom Volk der Wolof und ehrenwerte Christen, eine Tochter des weißen Krokodils bekommen hätten.
    Mariamas Vater Jambaar kam nach Bansang.
    Jambaar Nije war bis zu seinem Ruhestand Pfarrer der anglikanischen Kathedrale von Banjul am McCarthy Square gewesen und wollte seine Tochter zurück ins Elternhaus holen.
    Nun erst wurde er eingeweiht in Josephs Geheimnis.
    Der Achtzigjährige saß am Tisch und starrte lange auf die drei Dinge, die Mariama und Joseph vor ihn auf das weiße Tuch gelegt hatten:
    Eine dünne,

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