Mein ist der Tod
saßen.
Am Nordufer musste Joseph die Differentialsperre einschalten, um die schlammige Böschung hinauf zu kommen.
Sie hatten noch eine Strecke von fast neunzig Kilometern bis nach Génoto im Senegal vor sich, teils asphaltiert, teils staubige Earthroad, teils roter Matsch. Mehrfach bat Aminata ihn, anzuhalten, weil sie Fotomotive entdeckte und in ihrem Mobiltelefon speichern wollte. Mal war es ein gelb blühender Trompetenbaum, mal eine Gruppe Stummelaffen, mal der Schattenriss von Schirmakazien gegen das Licht des Horizonts, unter denen Buschböcke ästen. Joseph hatte sich Geduld verordnet und bewunderte Aminatas Begeisterung für jede wilde Bougainvillea am Rand der Piste, für die seltenen Kalebassenbäume und die Guineapaviane, von denen einige am Rand der Piste saßen, als wollten sie mitgenommen werden. Joseph erklärte, dass sie sich angewöhnt hätten, auf Abfall zu warten, der aus den Autos geworfen wurde. Aminata wollte den Lehrerblick ihres Vaters verändern.
Sieh doch einfach nur, wie schön es ist!
Er lachte. Ich dachte, das hätte ich immer getan.
Nach drei Stunden trafen sie in Génoto ein. Joseph stellte den Wagen in den Schatten eines Baobabbaumes, und während Aminata wieder schlief, kaufte er für die Nacht ein.
Sie wachte erst vom Quietschen der Handpumpe auf, als er an der Tankstelle aus Masud-Fässern Diesel nachfüllen ließ. Hinter Génoto auf dem Weg zu den Barrakunda Falls wurde das Fahren mühsam. Die Pfade durch den Buschwald waren noch tief und schmierig von den wochenlangen Regenfällen, auf dem seifenglatten Lehm drehten die Räder durch, aber Joseph wusste, wie er mit wenig Gas und kurzem Wippen vor und zurück den Jeep aus Schlammlöchern schaukeln konnte. In der Nähe des Flusses kletterte der Wagen über baumdicke Wurzeln, bunte Felsbrocken und durch Hohlwege hinauf.
Schließlich hatten sie ein Steinplateau am Rand der Stromschnellen erreicht. Er drehte den Toyota so, dass er den Buschpfad, der hinter ihnen lag, blockierte, öffnete die Hecktür und zeigte seiner Tochter die Vorräte.
Ich habe eine Petroleumdrucklampe made in China mit zwei Asbestglühstrümpfen gekauft, damit wir starkes Licht haben. Batterien für meine Taschenlampe, zur Not. Ein Fläschchen Spiritus für den Kocher, Brot, Öl, ein gebratenes Huhn, zwei gekochte Eier, eine Literflasche Cola für dich und eine Flasche Palmwein für mich. Teebeutel. Wir haben außerdem Decken und Kissen. So gegen zwei, halb drei wird es nämlich kühl.
Ja, Herr Lehrer, sagte Aminata und grinste.
Er breitete eine brüchige Schaumstoffmatte, die er stets hinten im Wagen hatte, auf den glatten Felsen aus, dazu eine alte, gelbe Decke, legte sich nieder und sagte:
Ich schlafe, bis der Mond voll da ist. Du bleibst wach, du hast ja genug geschlafen. Pass gut auf, hier gibt es Krokoparden. Sie sind sehr gefährlich.
Aminata riss die Augen auf. Was?
Krokoparden. Haben einen Körper und Beine wie Leoparden, aber einen Maul wie ein Krokodil, klettern auf Bäume, springen runter und fressen dich mit Haut und Haar.
Er musste lachen und zog sich die Decke über den Kopf. Aminata schlug auf ihn ein.
Mach dich nicht über mich lustig! Und mach mir keine Angst!
Lass mich schlafen, wir müssen die ganze Nacht wach sein.
Er schlug die Decke zurück.
O Mann, ich hab vergessen, Pfeffer mitzunehmen.
Wozu brauchen wir Pfeffer?
Wenn man den Krokoparden Pfeffer auf den Schwanz streut, verwandeln sie sich in Mäuse!
Wieder verschwand sein Kopf unter der gelben Decke.
Aminata beschloss, die Albernheiten ihres Vaters zu ignorieren. An der Uferkante vor ihr stieg Wasserstaub auf. Sie sah auf die schäumenden Wellen hinunter, die mit wummernden Schlägen im Flussbett auftrafen, und erinnerte sich an die Bilder der Fahrt. Kurz vor Génoto waren sie an drei Frauen vorübergefahren, die ihre großen Kalebassen so stolz auf dem Kopf trugen, als wären es halbierte Weltkugeln, und Aminata hatte zwar nicht erkennen können, ob in den Schalen Hirse, Früchte oder gesammelte Heilkräuter waren; doch sie hatte die Haltung, in der die drei langsam im roten Sand am Rand der Straße voranschritten, bewundert. Das königliche Selbstbewusstsein, das ihrem Nacken anzusehen war. Zugleich wusste sie, dass sie selbst niemals so leben könnte; dass zwischen diesen Frauen und ihr eine unüberbrückbare Kluft lag, obwohl sie zur selben Zeit im selben engen Land lebte.
Sie holte die zweite Matte und eine Decke aus dem Wagen und legte sich abseits von ihrem
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