Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
mit Blick auf die Nelda errichtet, war er der Wächter einer Vereinigung zweier sanfter Kräfte zu einem starken Drang , wie der einzige bedeutende Dichter von Zungen, Julius Karl Heise, 1848 geschrieben hatte. Nach ihm war der Platz benannt, wo sich im Fischerbrunnen die Körperteile von Iris Paintner gefunden hatten.
    Es ist kein Kopf dabei. Und die linke Hand fehlt.
    Michaela Bossis Stimme brachte Bewegung in Swoboda. Er öffnete die Augen, zog die Hände aus den Taschen und drehte sich zu ihr um.
    Ja, sagte er. Ich hab’s erwartet.
    Sie nahm ihn am Arm und zog ihn behutsam mit sich.
    Ich brauche jetzt einen Whisky. Du könntest auch einen gebrauchen.
    Er schüttelte den Kopf. Nein. Whisky nicht vor neunzehn Uhr. Untertags nur Calvados.
    Sie verließen die Zungerer Neustadt, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit exakten Winkeln und hellen Innenhäusern entstanden war und auf deren Erhalt wenig Wert gelegt wurde. Diese südliche Betonstadt war von einer anonymen Nachlässigkeit geprägt, die in einigen Straßen in Verwahrlosung überging. Swoboda fiel hier nicht auf. Aber Michaela Bossi in ihrer roten Lederjacke und hochhackigen Schuhen wurde begafft und von herumlungernden Männern taxiert.
    Das nördliche, alte Zungen, das sie nach der Unterquerung der Bundesstraße erreichten, galt als die schönere Stadt. Die Kriege der letzten fünfhundert Jahre hatten hier nur seitliche Schläge ausgeteilt, und so hatte Zungen seine Fassaden erhalten können. Sandstein der Neldahöhen hinter dem Mahrwald war allen Baustilen gleichermaßen dienlich gewesen, die meisten Bürgerhäuser im alten Stadtkern aber stammten aus dem siebzehnten Jahrhundert, waren barock, dunkel, vom Mauerschwamm befallen und denkmalgeschützt.
    Bossi rauchte unterwegs zwei Gauloises. Swoboda schnüffelte unverhohlen gierig den in der Luft schwebenden Rauch. Als sie ihm eine Zigarette anbot, lehnte er ab, und sie behauptete, dass sie ihn dafür bewunderte.
    Das Bistro Corso an der Ecke Schwedengasse und Alter Winkel war erst vor einem Jahr eröffnet worden und hatte sich rasch zu einem beliebten Treffpunkt für die Studenten der Städtischen Bildhauerschule am Neldaplatz und die Mitarbeiter der Zungerer Nachrichten entwickelt, deren Redaktionsgebäude nicht weit entfernt lag. Swoboda tauchte dort gelegentlich auf, weil es Frühstück bis fünfzehn Uhr gab und er sich nicht mehr wie früher darauf verlassen konnte, dass Martina gegen elf Uhr mit frischen Brötchen in seinem Atelier auftauchte.
    Der hagere Wirt streute das Gerücht, er sei Italiener, war aber Kroate und unter seinem Vornamen Ante bekannt. Er fiel durch einen dünnen weißen Pferdeschwanz auf, der am Ende eines sonst fast nackten Schädels baumelte. Ante hatte sein Lokal im niedrigen Erdgeschoss eines Altbaus wahllos mit einer Mischung aus Sperrmüllmobiliar und kleinen Marmortischen unter schwachem Lampenlicht eingerichtet und auf diese Weise eine angenehme Atmosphäre geschaffen.
    Der Whisky war ein mittelmäßiger Kentucky-Bourbon, der Calvados ein französischer Handelskettenverschnitt, doch Michaela Bossi und Alexander Swoboda waren dankbar für das Brennen in der Kehle. Der widerwärtige Anblick auf dem Heiseplatz hatte sich als Fäulnis im Mund niedergeschlagen, die mit einem zweiten Whisky, einem zweiten Calvados und anschließendem Espresso bekämpft werden musste.
    Die Hauptkommissarin wartete darauf, dass Swoboda etwas sagte. Er schwieg vor sich hin, als sei ihm die Situation peinlich. Dann murmelte er: Ich muss dauernd an die Hand denken.
    Sie spürte, dass sie rot wurde. Sie hatten beide nicht darüber gesprochen, dass ihre Hände lange aufeinander lagen, als sie ihm beim Zeichnen über die Schulter gesehen hatte. Sie fragte sich immer noch, warum sie kurz danach beim Anblick von Saskia Runges Kopf im Boot einfach umgekippt war, und sehnte sich danach, seine Hand noch einmal und länger zu spüren. Sie lag keine dreißig Zentimeter von ihrer eigenen entfernt auf der kalten Marmorplatte.
    Was glaubst du, fragte Swoboda, macht der Killer mit den Händen? Verbrennt er sie, trocknet er sie, friert er sie ein? Irgendwas muss er doch damit tun!
    Sie verbarg ihre Enttäuschung und wurde sofort sachlich.
    Wir haben nach einer Verbindung zwischen den Morden hier und unaufgeklärten früheren Frauenmorden gesucht. In Florenz und in Reims gab es Morde an großen, blonden Touristinnen mit lockigem Haar. Beide wurden allerdings nicht geköpft, sondern jemand hat ihnen die Kehle

Weitere Kostenlose Bücher