Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
Kopf legte. Langsam beruhigte sich Aminata und sah ihren Vater vor sich, wie er geweint hatte, bevor der Nachtregenbogen über den Barrakunda Falls sichtbar geworden war. Joseph Mboge nickte ihr zu. Sie konnte seine Stimme hören:
    Ich hab’s dir ja gesagt.
    Freya erfuhr in diesem Augenblick, dass ihre verblichenen Träume und abgelegten Hoffnungen sich aus der Vergangenheit hoben. Sie überließ sich dem Gefühl, dass ihr diese Unbekannte, die in ihren Augen ein Mädchen war, ein neues Leben schenkte.
    Aminata hob den Kopf nicht, sie sprach in Freyas Schoß: Da war ein Regenbogen in der Nacht.
    Freya hörte die dumpfe Stimme, verstand aber die Wörter nicht. Sie spürte in ihren dünnen Händen Aminatas Locken, wollte nicht weinen, konnte nichts dagegen tun. Etwas Ungeheuerliches geschah mit ihrem Leben. Es drehte sich wie ein Planet, die Schattenseite, die sie bisher bewohnt hatte, verschwand, und eine lang verborgene Helligkeit kam hervor.
    Später begannen sie zu berichten. Das Licht im Garten wurde schwächer, der Abend schob seine Farben über die Wildnis, und die beiden Frauen ließen einander nicht los.
    Als Aminata die kleine Blechdose mit der Aufschrift Hühneraugepflaster Lebewohl in die Hand ihrer Großmutter legte, schloss sich der Kreis der Erinnerung. Freya konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, fühlte sich befreit, als wäre sie von einem Fluch erlöst, und erzählte noch einmal von ihrer Liebe. Aminata hörte zu, als könne sie nicht genug davon bekommen.
    Als Günther Korell in den halbdunklen Salon trat und Freyas Namen rief, antwortete sie:
    Mach noch kein Licht.

    Michaela Bossi fuhr schon durch die Seidlstraße, als Herking Swoboda anrief und ihm mitteilte, man habe den Frauenmörder verhaftet. Es sei ein gewisser Frank Züllich.
    Woher weißt du das schon wieder?
    Ich habe so meine Verbindungen zur Polizei, sagte Herking.
    Ich dachte, ich sei deine Verbindung.
    Ich werde mich doch nicht auf einen Künstler verlassen! Jedenfalls werde ich ihm morgen gegenübergestellt. Ich bin ja der Einzige, der ihn gesehen hat. Jedenfalls der einzige Lebende.
    Dass Herking lachte, als sei ihm ein Scherz gelungen, missfiel Swoboda.
    Ich bin in einer Woche wieder da.
    Er schaltete aus. Das Navi plärrte, das Ziel sei erreicht. Die Einfahrt der Mayer’schen Hofkunstanstalt für Glas- und Mosaikkunst lag rechter Hand vor ihnen, und Michaela Bossi fuhr durch den Torbogen und kurzen Tunnel in den Innenhof. Neben dem modernen Atelierbau mit seiner Ziegelfassade stand der Komplex der Werkstätten aus Glas und Stahl, der sich radikal absetzte gegen den Altbau aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, der mit seinen Verwaltungsräumen und Restaurierwerkstätten die Straßenflucht bildete.
    Der Glasmalermeister kam über die Eisentreppe in den Hof herunter, begrüßte Swoboda und blickte leicht irritiert auf Frau Bossi, die neben dem Wagen stand und ihm die Hand entgegenstreckte.
    Ich bin bloß die Chauffeuse.
    Reber ließ ihre Hand in seiner verschwinden und machte einen Diener.
    Ich bin der Glasmalermeister, sagte er, aber den Beruf gibt es eigentlich nicht mehr, wir heißen jetzt Glasveredler, na ja, wird ja alles immer edler.
    Er bückte sich nach Swobodas Tasche.
    Ich zeig Ihnen jetzt erst mal die Wohnung, haben Sie Hunger?
    Michaela Bossi öffnete die Fahrertür. Ich muss gleich weiter. Wir telefonieren!
    Reber sah ihr verwundert nach, als sie den Kombi im engen Hof wendete und durch die Toreinfahrt zur Straße fuhr.
    Ihre Frau?
    Nein, lachte Swoboda und nahm seine gerollten Papierentwürfe unter den Arm. Eine Kollegin. Ich bin nicht verheiratet.
    Max Reber war ein kräftiger Mann, Anfang vierzig, und vereinte, wie Swoboda noch erleben würde, auf ideale Weise Handwerk und Kunst in sich. Er ging über Treppen und Korridore voran, die in den Altbau unters Dach führten, wo die Künstlerappartements lagen.
    Vielleicht wollen Sie sich ausruhen oder was essen, oder, ich meine, ich könnte Ihnen auch gleich zeigen, was wir machen –
    Ich will möglichst schnell anfangen, sagte Swoboda. Ich muss ja einiges lernen. Also am liebsten jetzt.

    Korell bemühte sich, freundlich zu sein.
    Er deckte den Esstisch neben dem Kamin und arrangierte eine Käseplatte, dekantierte einen Vino Nobile di Montepulciano des Jahrgangs 2003, toastete Weißbrot, stellte einen Kerzenleuchter zwischen die Gläser und tat dies alles mit einer ungewöhnlichen Konzentration, so als müsse er aufpassen, nichts falsch zu machen.
    Freya fiel

Weitere Kostenlose Bücher