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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Normalität, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie der verhaftete Züllich hier diese verrückten Videos programmiert und mit Rätseln aus Dantes Göttlicher Komödie gespickt haben sollte.
    Wie sich später herausstellte, gab es im ganzen Anwesen Züllich keine einzige Dante-Ausgabe. Was nichts heißen musste, denn jedes Wort des Dichters stand auf zahllosen Internetseiten zu lesen. Und doch hatte der Kommissar erwartet, etwas anderes als den Rückzugsraum eines einsamen jungen Mannes zu finden, der sich auf eine trostlose Weise hier mit Gewaltspielen und Sexvideos eingerichtet hatte. Ungewöhnlich an ihm war nur die Tonsur, die ihm etwas vom Aussehen eines Mönchs zur Lutherzeit gab.
    Eine Stunde später gestand Frank Züllich, dass er gegen Heka, die bestialische Herrscherin, kämpfte und nicht sicher war, ob sie nur im Computer existierte. Denn manchmal hatte er ihre Kämpfer draußen im Mahrwald angetroffen. Und einmal war er sich selbst begegnet, aber er wusste nicht mehr, ob es nicht Heka war, die schließlich jede Gestalt, auch seine eigene, annehmen konnte.
    Ich bin ja Hero Kles. Dann kann der andere nicht auch Hero Kles sein. Verstehen Sie?

    Bevor Aminata eintrat, fiel ihr auf, dass die Fassade rechts und links der Tür dick mit verschlungenem Knöterich behängt war, der bis hinauf über die Regenrinne reichte und dort unter die Dachziegel kroch.
    Kommen Sie, rief Freya aus dem Flur, kommen Sie, wir gehen ins Gartenzimmer.
    Als Aminata die weißhaarige Dame im Rollstuhl vor den bodenlangen Fenstern sitzen sah, vergaß sie alles, was sie sich vorgenommen hatte: ihre Notlüge mit der Reportage über deutsche Kleinstädte, ihre Angst, Freya könnte vor Aufregung sterben, ihre sich selbst verordnete Zurückhaltung und Disziplin.
    Sie blieb in der Mitte des Salons stehen, ohne viel davon wahrzunehmen. Was sie sah, war der Schattenriss von Freya im honiggelben Nachmittagslicht, das aus dem Garten in den Raum floss. Der Farbklang passte zur Stimmung der jungen Frau. Es war das Licht, das sie von den Nachmittagen während der Regenzeit am Gambia River kannte, und sie sah in diesem Licht Freya auf der Terrasse des Hauses in Bansang sitzen, wie sie die Arme ausbreitete. Gegenüber saß Joseph und glaubte nicht, was geschah.
    Sie bemerkte nicht sofort, dass ihr Tränen aus den Augen liefen, als sei ein über Jahrzehnte festgerostetes Wehr brüchig geworden. Sie spürte, wie ihr die Situation entglitt, auch wenn ihr bewusst war, dass nicht sie selbst weinte, sondern dass sie für ihren Vater weinte, der in Freya seiner Mutter begegnete, dass es seine Sehnsucht nach Nähe war, die jetzt den unbezwinglichen Wunsch in ihr aufkommen ließ, dieser Frau, die ihr aufrecht und gefasst gegenübersaß, in den Armen zu liegen.
    Freya sah auf dem Gesicht der jungen Frau nass glänzende Spuren, und ehe sie noch verstehen konnte, warum diese englische Journalistin, die da so unschlüssig in der Mitte des Zimmers stehen geblieben war, weinte, entdeckte sie, dass sie selbst sich gegenüberstand.
    Das kleine Passfoto, das sie vor mehr als sechs Jahrzehnten für ihren noch nicht einmal einjährigen Sohn Joseph in die Blechschachtel für Hühneraugenpflaster Lebewohl gelegt hatte, schien einem unbekannten Schöpfer als Vorlage für das Gesicht der Engländerin gedient zu haben. Wie in einem Spiegel sah Freya in Aminata eine neue Summe ihres eigenen Lebens.
    Sie rief sich zur Besinnung und wischte ihre Phantasie als Altweibersentimentalität beiseite.
    Kommen Sie, sagte sie, hier am Erkertisch ist mehr Licht, ich möchte Sie besser sehen, und wenn Sie wollen, können wir uns gern über die Stadt hier unterhalten, die Sie sich für ihre Reportage ausgesucht haben. Ich lebe nicht gern hier, und ich glaube nicht, dass Ihnen gefallen wird, was ich zu erzählen habe.
    Danke.
    Sie hatte ihr Schluchzen nicht unterdrücken können.
    Freya reagierte laut: Mein Zustand ist nicht so traurig, wie Sie vielleicht denken! Kommen Sie!
    Aminata, die zu bewegt war, um die Sehnsucht, die in ihr lebte, länger zu verschweigen, lief auf Freya Paintner zu, blieb vor ihr stehen, senkte den Kopf, sagte: Sorry, fiel auf ihre Knie und legte ihr Gesicht in den Schoß der alten Frau.
    Freya Paintner stieß sie nicht zurück, war nicht einmal verwundert und staunte über sich selbst. Etwas in ihr schien erwartet zu haben, was eben geschah.
    Halb erstickt im Stoff des Kleides weinte die junge Fremde so maßlos, dass Freya ihr unwillkürlich die Hände auf den

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