Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
sich in ihre eigene Wohnung im vorderen Teil des Hauses zurückgezogen.
    Sie hatte Aminata noch leise singen gehört, sich dann schlafen gelegt und nach ein paar Minuten das Licht gelöscht.

    Von der Dunkelheit wurde sie wach. Hätte sie ein Geräusch gehört, wäre sie weniger beunruhigt gewesen. Doch die Milane in den entfernten Nelda-Auen hatten ihr Geschrei eingestellt, und es herrschte eine Lautlosigkeit, die jenseits des Lebens zu liegen schien. Dorina Radványi lag mit offenen Augen da und horchte in ihr Zimmer. Die Angst senkte sich aus der Schwärze auf sie herab und lähmte sie. Zugleich arbeitete ihre Vernunft daran, die Gefühle im Zaum zu halten. Es gab keinen Anlass für Panik. Das Haus war still, die Tür verschlossen. Langsam beruhigte sie sich, bewegte ihre Hände auf der Bettdecke, beschloss aufzustehen und sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war.
    Sie knipste die Nachttischlampe an, stand auf, zog Hausschuhe und Morgenmantel an, schlurfte aus dem Zimmer und griff im Flur nach dem Lichtschalter. Sie schaltete zwei Mal, ohne dass die Deckenleuchte anging, kippte den Schalter noch einmal langsam auf und ab. Kein Licht. Sie hörte ihr Herz, als schlüge es vor ihr im Dunkeln.
    Dorina Radványi war keine ängstliche Frau, aber sie spürte, dass das Haus plötzlich kein sicherer Ort mehr war.
    Sie wollte sich umdrehen, in ihr Zimmer zurückgehen und sich einschließen. Dann fiel ihr Aminata ein, und sie sagte sich, dass sie die ganze Nacht kein Auge zutun würde, wenn sie nicht geklärt hatte, was hier los war.
    Sich im Dunkel zu orientieren, fiel ihr leicht. In einer Küchenschublade lagen Kerzen und Streichhölzer. Drei Schritte durch den Flur, links die Tür zum Bad, fünf Schritte weiter, links die Tür zur Küche. Sie stieß an den Tisch.
    Im blauen Mondlicht vor dem Fenster fiel ein Schatten herab, und instinktiv duckte sie sich. Ein Gegenstand schlug neben ihr in den Türrahmen und spaltete das Holz. Sie rannte in den Flur zurück, wandte sich um, sah in der Küche etwas aufblitzen, ein Teller klirrte, und sie wusste, dass die Uhr auf den Boden gefallen war. Bis zur Haustür war es nicht weit, Dorina riss sie auf und lief hinaus in die halbdunkle Nacht, den Weg zum Haus hinauf, verlor den rechten Hausschuh, wollte schreien und brachte keinen Ton heraus, spürte den Schmerz, als sie in die Brombeerschlingen trat, achtete nicht darauf, hörte ihr eigenes Keuchen und ein fremdes dazu, das hinter ihr war, sie verfing sich mit dem linken Fuß in einer Ranke, stürzte, Angst schnürte ihr die Kehle zu, sie sah vor den bleich leuchtenden Wolken die Gestalt ohne Gesicht, die sich über sie beugte, und schloss die Augen. Sie wollte aufhören zu denken. Aber ihr Lebenswille ließ nicht nach und hinderte sie daran, aufzugeben. Sie sah den Tod vor sich, öffnete den Mund und schrie.
    Der dritte Schrei in Zungen an der Nelda zerriss die Hoffnung, dass der Alptraum, der über der Stadt lag, mit der Verhaftung von Frank Züllich beendet sei.
    Etwas flackerte rot vor Dorinas geschlossenen Augen. Die Alarmleuchte an der Einfahrt war angesprungen, ihr Drehlicht wischte über die Straße und das Grundstück. An den Hausecken flammten Strahler auf. Die Ungarin sah hinter ihren Lidern die Helligkeit, öffnete die Augen und stöhnte: Szent Boldogasszony!
    Als sie sich an die Blendung gewöhnt und festgestellt hatte, dass sie unverletzt auf dem Pfad zur Villa lag, setzte sie sich auf und sah, wie eine schwarze Gestalt links neben dem Haus in der Wildnis des Gartens verschwand.
    Freya hatte beim Schrei ihrer Pflegerin reflexartig den Alarmknopf neben ihrem Bett betätigt und Licht gemacht. Sie lag wach in ihrer Unbeweglichkeit und starrte auf die Tür ihres Schlafzimmers. Nach einer Zeit, die ihr unerträglich lang vorkam, sah sie die Reflexe des Blaulichts an der Zimmerdecke, die sich mit dem pulsierenden Rotlicht der Alarmleuchte mischten.
    Dorina Radványi blieb sitzen, bis die Streifenpolizisten auf sie zu kamen. Sie glaubte noch nicht ganz daran, im Leben zurück zu sein.
    Aus dem Kutscherhaus war Aminata, angezogen, als habe sie noch nicht im Bett gelegen, den Weg heraufgelaufen und hatte ihr den verlorenen Schuh nachgetragen. Im ersten Stock der Villa wurde ein Fenster geöffnet. Günter Korell, in einem weißen T-Shirt, lehnte sich heraus und rief: Was ist denn los? Was ist passiert? Dorina?
    Ja, ja, rief sie zurück. Es ist Einbruch, Verbrecher hat mich gewollt mördern! Und fuhr, leise für sich

Weitere Kostenlose Bücher