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Mein Ist Die Nacht

Mein Ist Die Nacht

Titel: Mein Ist Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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äußeren Erscheinungsbild alle
Mühe, nicht wie ein typischer Kriminalkommissar auszusehen.
Wer ihn nicht kannte, hielt ihn eher für einen kanadischen
Baumfaller als für einen Kommissar. Das
Täuschungsmanöver gelang ihm in dieser nasskalten Nacht
besonders gut, fand Franka und musste trotz der Situation
lächeln.
    »Micha«,
sagte sie. »Wie immer vor mir da, wo etwas
passiert.«
    Er zog die Mundwinkel
hoch. »Das gehört zum Job.« Dann wurde er ernst,
legte jovial einen Arm um Frankas Schulter und beugte sich zu ihr
herab. »Hast du sie schon gesehen?«
    »Die
Leiche?«
    »Ja.«
    Franka schüttelte
den Kopf. »Ich war gerade unterwegs, als
…«
    »Sie sieht
schlimm aus.« Micha zog eine Packung Marlboro aus der Tasche
seines Baumfällerhemdes, zog eine Zigarette heraus, strich sie
glatt und zündete sie sich an. »So etwas kann kein
gesunder Mensch tun«, fuhr er fort, während er den Rauch
in den wolkenverhangenen Nachthimmel paffte. »Vermutlich
wurde sie vergewaltigt, mit Wachs Übergossen und …
totgebissen.«
    »Was heißt
das?«
    »Der Typ, der
das getan hat, hat ihr offenbar die Kehle zerfetzt. Sie ist elendig
verblutet.«
    »Kannibalismus?«
    »Schon
möglich.«
    »Steht ihre
Identität fest?«
    »Noch nicht. Sie
trägt nur Nylonstrümpfe und Stiefel, hat also keine
Handtasche, keine Papiere, nichts dabei. Wir werden die
Vermisstenmeldungen durchforsten müssen, fürchte
ich.«         
    »Klingt nach
einem Sexualverbrechen. Ich möchte sie
sehen.«
    »Dann hoffe ich
mal, du hast noch nicht gegessen.« Micha grinste schief und
führte Franka zum Fundort der Leiche. Die Spurensicherung
unterbrach ihre Arbeit, ein junger Kollege zog das Tuch, mit dem
sie die Leiche abgedeckt hatten, zurück.
    »Showtime«, murmelte
Micha in seinem Sarkasmus, der manchmal soweit daneben lag, dass es
schmerzte. Franka wusste, dass er nach außen hin auffallend
cool tat, wenn ihm etwas an die Nieren ging, und rechnete mit dem
Schlimmsten.
    Und sie tat gut daran.
Sie betrachtete den Leichnam einer jungen Frau, sie schätzte
sie auf Mitte zwanzig. Ihr langes blondes Haar umgab ihren Kopf wie
eine Gloriole. Die Haut wirkte wächsern, die Lippen blutleer.
Im Augenblick des Todes hatte sie die Augen weit aufgerissen. Der
Mund stand einen Spalt breit offen. Ihr Körper war makellos,
der Bauch durchtrainiert, die Brüste groß und fest. Zu
Lebzeiten ist sie eine hübsche Frau gewesen, dachte Franka.
Ihre Gliedmaßen standen in verrenkter Haltung vom Körper
weg. Eine tiefe Wunde klaffte am Hals der Frau. Blut hatte ihren
Oberkörper besudelt. Tatsächlich, so schien es, hatte der
Täter ein Stück Fleisch aus ihr herausgebissen. Bei dem
Anblick drehte sich Franka der Magen um.
    »Mein
Gott«, kam es heiser über ihre Lippen. »Wer tut so
etwas?«
    »Ein kranker
Kopf. Wir sollten keine Zeit verlieren, Franka.«
    »Wer hat sie
gefunden?«
    »Lena Hille,
zweiundfünfzig, Witwe. Arbeitet in der Textilfabrik, hatte
Spätschicht und war auf dem Heimweg, als sie die Tote
fand.«
    »Ich will sie
sprechen. Wo ist diese Lena Hille jetzt?«
    »Zu Hause. Sie
stand unter Schock, wurde vom Notarzt behandelt und von uns nach
Hause gebracht. Wir können sie morgen besuchen, wenn es
nötig wird, die Adresse haben wir.«
    »Was ist mit dem
Opfer?«, fragte Franka.
    Micha zog ein letztes
Mal an seiner Zigarette, schnippte den Stummel fort und trat ihn
mit dem Absatz seiner Boots aus. »Der Notarzt schätzt
ihren Todeszeitpunkt auf 20 Uhr, will sich aber noch nicht
festlegen. Sie ist jedenfalls nicht hier gestorben«, fuhr er
fort. »Der Notarzt hat bereits festgestellt, dass sie schon
tot war, als das Schwein sie hier ablegte. Ich warte jetzt auf die
Jungs von der Rechtsmedizin, die können uns vielleicht mehr
dazu sagen.«
    »Fundort ist
also nicht gleich Tatort. Hat das denn niemand
beobachtet?«
    »Angeblich
nicht, nein. Es ist wie immer: Alle stehen am Fenster, wenn ein
Streifenwagen mit Blaulicht anhält, aber niemand will etwas
gesehen haben, wenn jemand eine Frauenleiche hier
ablegt.«
    »Warum nur - ich
meine, warum legt er sie ausgerechnet hier, an einer
Hauptstraße, ab? Ich würde mein Mordopfer
unauffälliger entsorgen.« Gemeinsam gingen sie zum
Straßenrand der Berliner Straße. Ein kleiner
Grünstreifen trennte Bürgersteig und Fahrbahn
voneinander. Kaum drei Meter vor der Haltelinie einer
Fußgängerampel hatte der Täter sein Opfer abgelegt.
Die Kollegen der Spurensicherung hatten den dunkelgrünen
Sprinter so am

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