Mein Ist Die Nacht
gab es eine Website, auf der er sich
präsentierte. Er hantierte am Autoradio herum und suchte nach
passender Musik. Vergeblich, wie er feststellte. Auch auf dem
Lokalsender der Stadt lief nichts Brauchbares. Wie immer. Nichts,
das zu seiner Stimmung passen wollte. So drückte er den Knopf
und schaltete die Kiste ab.
Der Fahrer im Opel
schien es nicht sonderlich eilig zu haben, und so folgte er ihm in
gebührendem Abstand. Um diese Zeit herrschte auch auf den
Hauptstraßen der Stadt kaum Verkehr. Die Geschäfte der
Innenstadt hatten inzwischen geschlossen. Immer wieder blitzte an
einigen Stellen das grüne Stahlgerüst der Schwebebahn
zwischen den Gebäuden durch. Während die
Friedrich-Engels-Allee ihrem Namen in Unterbarmen noch alle Ehre
machte und von alten Bäumen gesäumt wurde, die sich unter
der Last des Schnees über der Fahrbahn zu verneigen schienen,
so wurde die Straße bald breiter und größer. Sie
passierten den Alten Markt. Wie mahnend erhobene Finger reckten
sich knapp vierzig Meter hohe Doppel-H-Pylonen der
Schwebebahnstrecke in den wolkenverhangenen Himmel.
Er klebte nicht an der
Stoßstange des Astra, nahm sich Zeit. Immerhin wollte er
nicht auffallen. Noch nicht.
Sein Herz schlug
schneller, als sie die Stelle erreichten, an der er Mandy aus dem
Wagen geworfen hatte. Natürlich war sie längst gefunden
worden. Die Bullen waren da und schoben Dienst. Man hatte
leistungsstarke Scheinwerfer aufgestellt und die rechte Fahrbahn
gesperrt. Gaffer hatten sich eingefunden, und die Autos vor ihm
wurden langsamer, um einen Blick vom Geschehen zu
erhaschen.
Eine tiefe
Befriedigung ergriff ihn, und er grinste breit, als er auf die
linke Fahrspur wechselte, um den Ort des Geschehens zu passieren.
Uniformierte und zivil gekleidete Polizisten liefen hektisch herum,
einige von ihnen telefonierten. Die zivilen Einsatzwagen standen
kreuz und quer am Straßenrand.
Er hatte ein Zeichen
gesetzt, und sie würden sich wundern, zu welchen Taten er noch
im Stande war. Ein breites Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht
festgemeißelt. Leider lag sie schon unter einem Leichentuch.
Er hätte so gerne gesehen, wie der Schein der
Straßenlaterne ihren Körper in wächsernes Licht
getaucht und wie das Blut aus ihren Wunden sie rot bemalt
hätte.
Es war ein so
schönes Werk geworden.
Auch Belter fuhr
langsam an der Stelle vorbei und verrenkte sich den Hals. Sah er
etwas von seiner Freundin? Würde er Verdacht schöpfen und
anhalten?
Es war eine bizarre
Szenerie; überall Blaulicht und aufgescheuchte Polizisten, und
die von ihm dort abgelegte Leiche bestimmte ihr Denken und Handeln.
Der Gedanke hatte etwas.
Endlose Sekunden
vergingen, und er hielt den Atem an.
Dann war Belter an der
Fundstelle vorbei, hatte anscheinend keinen Verdacht
geschöpft.
Der Wagen
beschleunigte, und auch er gab wieder Gas. Er atmete tief durch und
blickte in den Rückspiegel, wo sich der Fundort der Leiche
immer weiter entfernte. Sein Puls beruhigte sich ein
wenig.
Nachdem sie den
Berliner Platz überquert hatten, gab Belter Gas, und er hatte
Mühe, dran zu bleiben. Der schwere Wagen musste auf Drehzahl
gehalten werden. Der Diesel surrte wie eine
Nähmaschine.
Wusste dieser Idiot
denn nicht, dass hier immer wieder die Geschwindigkeit gemessen
wurde? Die Strecke in Richtung Schwelm verleitete viele Autofahrer
zum Gas geben. So auch Belter.
Aber er ließ
sich nicht abschütteln.
Eine Autobahnauffahrt
flog an ihnen vorbei, dann wurde die Bebauung spärlicher. Er
erinnerte sich daran, dass es hier, an der Stadtgrenze zu
Wuppertal, früher mal ein Autokino gegeben hatte. Mit Freunden
war er manchmal dort gewesen. Früher, als sie ihn noch nicht
für verrückt gehalten hatten, dachte er in einem Anflug
aus Wut und Wehmut.
Früher, als er
sich seiner Begabung noch gar nicht so bewusst gewesen
war.
Längst schon
hatte er sich von seinem Leben als Sterblicher verabschiedet. Er
schlich nachts über verlassene Friedhöfe und fühlte
sich dort unendlich wohl. Dort, wo der Tod allgegenwärtig war.
Er liebte den Atem des Todes, an jenem Ort, wo Menschen sich aus
dem Leben verabschiedeten. Wuppertal hatte so viele wundervolle
Plätze des Abschieds. Parkähnliche Anlagen, dichte
Bäume, die ihm Schutz vor neugierigen Blicken boten, und
Kapellen, bei denen nachlässige Friedhofswärter allzu
gern vergaßen, abzuschließen und ihm so eine Bleibe
für die Nacht in der Nähe der Verstorbenen
boten.
Heute würde er
keine Zeit finden, sich
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