Mein Ist Die Nacht
Trab. Ein Leisetreter
ist unser Freund nun wirklich nicht.« Er dachte nach.
»Wenn ich meine Spur verwischen möchte, wenn ich
jemanden auf dem Gewissen habe, dann sehe ich zu, dass ich meine
Leichen unauffälliger verschwinden lasse, als er es tut. Der
ist doch nicht ganz dicht, Frau Kollegin.« Er tippte sich
bezeichnend an die Stirn.
»Wie dem auch
sei - hoffen wir, dass er nicht noch mehrere lästige Zeugen
hat, die er aus dem Weg räumen wird.«
17
23.45
Uhr
Während die
Kollegen des KK 11 aus Hagen mit der Sicherung des Tatortes
beschäftigt waren, hatten sich Franka und Micha die
Genehmigung geholt, Belters Wohnung besichtigen zu dürfen. Das
Licht hatte Thomas Belter brennen lassen. Demnach hatte er nicht
vorgehabt, länger wegzubleiben. Die Wohnung war einfach, aber
geschmackvoll eingerichtet. Micha und Franka hatten sich dünne
Einmalhandschuhe übergestreift, um die Wohnung von Thomas
Belter nicht mit ihren eigenen Fingerabdrücken
zuzupflastern.
Es gab einen fast
rechteckigen Flur, der von einer Garderobe beherrscht wurde, die
unter der Last unzähliger Jacken und Mäntel von der Wand
zu stürzen schien. Franka erkannte darunter auch einige
Frauenjacken. Sie machte Micha auf ihren Fund
aufmerksam.
»Scheinbar hat
Mandy Klimmek zumindest zeitweise bei ihm gewohnt«, murmelte
sie. Links zweigte eine schmale Küche ab. Eine Neonröhre
an der Decke verbreitete mit einem monotonen Surren ihr grelles
Licht. Die Küchenmöbel waren alt, aber in recht sauberem
Zustand. Eine Korkwand mit Notizen, ein Kalender. Das Rollo war
nicht heruntergelassen, und sie hatten durch das Küchenfenster
freien Blick auf das massive Mauerwerk der Christuskirche, das um
diese Zeit von grellen Scheinwerfen angestrahlt wurde. In der
Spüle stapelte sich der Abwasch, und der Deckel des
Mülleimers ließ sich nicht mehr schließen. Micha
stand vor der Pinnwand und studierte die Zettel.
Einkaufszettel,
Quittungen, die Visitenkarte eines Arztes. Er trat näher und
erkannte, dass es sich bei der Karte von Dr. Martin Alberts um
einen Gynäkologen handelte.
Dieser Alberts schien
der behandelnde Frauenarzt von Mandy Klimmek gewesen zu sein. Micha
zog die Nadel aus dem Kork und nahm die Karte an sich. Vielleicht war
Dr. Alberts ihnen eine Hilfe.
Franka verließ
die Küche. Erste Tür rechts, das Wohnzimmer. Der
Fernseher lief ohne Lautstärke. Es flimmerte eine Talkshow
über den Bildschirm, die wahrscheinlich am Mittag des
vorherigen Tages schon einmal gelaufen war. Der Talkmaster
präsentierte einer pubertierenden Mutter und dem pickeligen
Vater eines Kindes den x-ten Vaterschaftstest. Franka seufzte. Die
sollten sich langsam mal was Neues einfallen lassen.
Sie trat an das
große Fenster und zog die Gardinen zurück. Ein winzig
kleiner Balkon erlaubte den Blick auf den Altmarkt. Unten waren die
Kollegen aus Hagen noch mit der Tatortsicherung beschäftigt.
Sie hatten Scheinwerfer aufgestellt, die die ohnehin schon grausige
Szenerie in ein kaltes Licht tauchten. Soeben führ ein
Leichenwagen vor. Dunkel gekleidete Gestalten stiegen aus und zogen
einen Zinksarg von der Ladefläche. Schweigend klappten sie ihn
auf und entnahmen der Transportbox einen transparenten Plastiksack
mit einem weißen Reißverschluss. Ein wenig unsicher
näherten sich die Fahrer des Leichenwagens den Beamten der
Kriminalpolizei. Aus der Ferne vermutete Franka, dass sie zum
ersten Mal einen Ermordeten transportierten. Sie schüttelte
den Kopf und wandte sich vom Ausblick auf den Altmarkt ab. Eine
bizarre Szene, wie sie sie sogar in Berlin nicht erlebt hatte. Dies
war ihre Heimat, und die Menschen, die hier lebten, waren offenbar
genauso krank wie die Drogenjunkies in Berlin.
Der Täter hatte
sein Opfer hier mitten auf dem Altmarkt überwältigt und
ermordet. Er hatte damit rechnen müssen, dass er bei seiner
Bluttat beobachtet wurde, doch das Risiko war er anscheinend
eingegangen und nach dem kaltblütigen Mord unerkannt geflohen.
Ein Gefühl der Ohnmacht überkam sie, denn sie würde
liebend gern eine Fahndung nach dem Mörder herausgeben, aber
ohne die Angaben eines Fahrzeugtyps, eines amtlichen Kennzeichens
oder sogar einer Personenbeschreibung konnte sie sich die Mühe
sparen. Der Mörder war auf freiem Fuß und hatte viele
Chancen, unerkannt zu entkommen. Franka verdrängte den
Gedanken und überlegte, wie der Täter wohl vorgegangen
war.
Belter war kaum zehn
Meter von der rettenden Haustür entfernt gestorben. Doch was
hatte ihn zu später Stunde
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