Mein Ist Die Nacht
erste
Scheibe unter der enormen Hitze im Gebäude mit einem lauten
Klirren zerbarst, wandte er sich vom Anblick auf die alte Fabrik ab
und ging ohne übertriebene Eile zurück zu seinem
Wagen.
19
8.05
Uhr
Nachdem sie ihre
kleine Wohnung an der Tunnelstraße auf dem Rott erreicht
hatte, waren ihr kaum zwei Stunden Schlaf geblieben. Mit Unterhemd
und Slip bekleidet hatte sie sich auf das Bett fallen lassen und
war innerhalb weniger Minuten in einen tiefen, traumlosen Schlaf
gefallen. Keinen Gedanken hatte sie mehr an den rätselhaften
Fall verschwendet, hatte nur daran gedacht, dass sie dringend Ruhe
benötigte, weil sie in den kommenden Tagen fit sein wollte. So
war Franka sofort in eine Tiefschlafphase eingetaucht und hatte
sich wie gerädert gefühlt, als der Wecker sie wenig
später in die Realität eines nasskalten Wintermorgens
geholt hatte. Nach einer kurzen Dusche und zwei Tassen schwarzem
Kaffee zu einer Stulle mit selbst eingemachter Marmelade ihrer
Mutter waren die Lebensgeister in Franka zurückgekehrt, und um
kurz vor acht hatte sie das Präsidium in Unterbarmen erreicht.
Zeit, sich
über ihre Einsamkeit Gedanken zu machen, hatte sie nicht
gehabt.
Micha hockte bereits
am Schreibtisch. Er rauchte ungeniert Kette, trank Kaffee aus dem
Automaten und las die Bild-Zeitung. Als Franka die Tür hinter
sich schloss und die Jacke über den Stuhl warf, blickte er
auf.
»Tach.« Er
faltete die Zeitung zusammen und beugte sich über die
Schreibtischplatte. Sein Grinsen war für die junge Kommissarin
fast unerträglich. Franka fühlte sich wie gerädert.
»Du hast wohl kein gemütliches Zuhause«, murmelte
sie. An Michas Dreitagebart und an den dunklen Ringen unter den
Augen erkannte sie, dass er scheinbar gar nicht mehr geschlafen
hatte. Sie sank hinter ihren Schreibtisch und schaltete den
Computer ein.
»Keine Zeit zum
Pennen«, brummte Micha, als sie ihn darauf ansprach, und rieb
sich durch das Gesicht. Die Bartstoppeln knisterten vernehmlich.
»Hier boxt nämlich der Papst. Willi ist auf 180, und
gleich ist Versammlung.«
»Das habe ich
befürchtet.«
Willi Bever war der
Erste Kriminalhauptkommissar und damit Abteilungsleiter des KK 11.
Er war ein Teamplayer, doch er wurde nervös, wenn ein
Täter ihm immer eine Nasenlänge voraus war.
»Schütt'
dir noch en Kaffe in den Kopp, dann bist du auch gleich
putzmunter«, schlug Micha in rheinischem Dialekt vor.
Manchmal verfiel er immer noch in den Akzent seiner
Heimat.
»Komm«,
sagte er mit väterlichem Unterton. »Ich geb' einen
aus.« Er klimperte in der Hosentasche mit Kleingeld herum und
ließ sie allein. Franka nutzte die Zeit, um ihre Mails
abzufragen. Der Bericht der Düsseldorfer Rechtsmedizin stand
noch aus. Alles andere hätte sie auch gewundert. Manchmal
verging bis zu einer Woche, ehe der Abschlussbericht einer
Obduktion vorlag. Kurz darauf kehrte er mit zwei Pappbechern
zurück, bugsierte die Getränke vorsichtig zu den
Schreibtischen. »Schwarz wie die Nacht, Frau
Kollegin.«
»Danke.«
Franka ergriff den Becher, verbrannte sich die Finger, fluchte,
pustete in die braune Brühe und trank in kleinen
Schlücken. Über den Rand des Bechers blickte sie ihren
Kollegen an. »Und«, fragte sie. »Was hast du
getrieben, während ich geschlafen habe?«
»Nicht
viel«, räumte er ein und steckte den neuen Becher in den
bereits geleerten. »Ich habe mich im Internet umgesehen. Es
gibt tatsächlich diese Fotobörsen, wo sich Models mit
Fotografen verabreden können. Und die verdienen nicht
schlecht. Zwei Stunden für fünfundsiebzig Euro, aber auch
bis zu dreihundert sind drin, besonders im Erotikbereich. Je mehr
Haut, desto mehr Kohle gibt es. Sie war übrigens
hauptberuflich in einem Drogeriemarkt beschäftigt und hat da
nicht übermäßig viel verdient. Wer weiß,
vielleicht hat sie die Fotos auch nur gemacht, um sich ein teures
Hobby leisten zu können.«
»Haben sich die
Kollegen noch in der alten Fabrik umgesehen?«
»Das werden sie
tun, sobald die Feuerwehr fertig ist.«
»Bitte? Wieso
Feuerwehr?«
»Das
Gebäude ist in den Morgenstunden ein Raub der Flammen
geworden, um es mal so zu formulieren. Ich glaube, es ist
müßig dir zu erklären, dass es sich offenbar um
Brandstiftung handelt.«
»Der Täter
ist ehrgeizig, wenn es darum geht, seine Spuren zu
verwischen«, murmelte Franka und schüttelte den Kopf.
Wer auch immer Mandy Klimmek und Thomas Belter auf dem Gewissen hat
- er ging zum Vernichten von Beweisen im
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