Mein Ist Die Nacht
regelmäßig?«
»Regelmäßig ist
übertrieben. Aber so ein-, zweimal im Monat fahre ich nach
Hause, um dort nach dem Rechten zu schauen. Und dann treffen wir
uns und lassen alte Zeiten aufleben.« Er grinste
vielsagend.
»Ihr schlaft
miteinander?« Franka drehte das Weinglas zwischen den
Fingerspitzen und lächelte ihn an.
»Das auch,
ja.« Micha trank von seinem Bier, wohl, um die peinliche
Situation zu entschärfen. »Und das Verrückte ist,
dass es auch mit dem Sex viel besser klappt als früher. Wir
treffen uns, manchmal nehmen wir uns auch ein Hotelzimmer, und dann
tun wir es, ja. Und weißt du was? Es macht richtig
Spaß!«
»Das bezweifle
ich keine Sekunde«, lächelte Franka.
»So, genug
Bettgeschichten ausgeplaudert«, lachte Micha. »Jetzt zu
dir. Verliebt? Verlobt? Verheiratet?«
»Weder
noch.« Sie nippte von ihrem Wein und leckte sich
genießerisch über die Lippen. Eine sehr sinnliche
Bewegung, die Micha nicht verborgen geblieben war, wie sie an
seinem Blick feststellte. Sie arbeiteten erst seit wenigen Wochen
als Team zusammen, und heute sah er in seiner Kollegin zum ersten
Mal die hübsche junge Frau, die sie eigentlich im Privatleben
war. Nur leider ging das viel zu oft im Alltag unter.
»Es gab den
einen oder anderen Freund, aber leider bin ich alleine
zurzeit.« Sie seufzte sehnsüchtig. »Ich glaube, es
liegt einfach am Job. Wer wie wir Tag und Nacht auf Standby ist,
der kann kaum eine glückliche Langzeitbeziehung führen.
Und irgendwie hatten meine Freunde selten Verständnis, wenn
ich nachts einen Anruf erhielt und zum Tatort
musste.«
Micha nickte, schwieg
aber. Ihm war es während seiner Ehe mit Gabi nicht anders
ergangen. »Dann gibt es eigentlich nur eine einzige
Alternative: Wir sollten ein Paar werden. Wir bringen das
nötige Verständnis für den Beruf auf und haben noch
ganz nebenbei das große Glück, dann auch gemeinsam
arbeiten zu dürfen.«
Franka lachte leise.
»Ich stelle mir gerade das dumme Gerede der Kollegen im
Präsidium vor, wenn wir jeden Morgen händchenhaltend im
Büro auftauchen und uns bei den Treffen in Bevers Büro
immer wieder verliebte Blicke zuwerfen und unter dem Tisch
miteinander füßeln.« Sie kicherte und winkte ab.
»Außerdem käme ich wohl kaum damit klar, wenn du
an den Wochenenden nach Köln fährst, um dich dort mit
deiner Exfrau zu vergnügen.«
»Dann würde
ich dich einfach mitnehmen«, lachte Micha. »Und wir
könnten dann gemeinsam …« Weiter kam er nicht,
denn er verspürte ein dumpfes Vibrieren in seiner Brust. Es
dauerte einen kurzen Moment, bis er realisiert hatte, dass es sich
dabei um sein Handy handelte, dass im Lautlos-Modus in der
Innentasche seiner Jacke steckte. »Mist«, murmelte er
und zog das Telefon hervor. Als er einen Blick auf das Display
warf, verfinsterte sich seine Miene. »Das
Präsidium.«
»So viel zum
Thema Standby«, seufzte Franka. Soeben war es ihr doch
tatsächlich gelungen, den Fall um die ermordete Mandy Klimmek
und Thomas Belter zu verdrängen. Nun wurden sie in die kalte
Realität zurückgeholt.
Das Telefonat dauerte
nur eine Minute. Und erleichtert wirkte Micha nicht gerade, als er
das Telefon wieder in der Jacke verschwinden ließ. »Es
gibt Neuigkeiten.«
»Mach es nicht
so spannend.«
»Das waren die
Kollegen von der Kriminalwache. Sie haben Baumann nicht
angetroffen.«
»Was soll das
heißen?«
»Er ist nicht
zuhause. Und seine Frau hat keine Ahnung, wo er abgeblieben sein
könnte. Jetzt läuft eine Fahndung nach ihm und nach
seinem Wagen.«
»Er ist
untergetaucht«, fluchte Franka. »Verdammt. Wir haben zu
lange gezögert. Ich wusste es.«
»Es ist eine
Frage der Zeit, bis er uns ins Netz geht, also reg dich nicht auf.
Wenn wir morgen ins Präsidium kommen, sitzt er bestimmt schon
in U-Haft und wartet auf seine Vernehmung.« Micha
lächelte ihr beruhigend zu und drückte ihre
Hand.
»Dein Wort in
Gottes Ohr«, erwiderte sie, denn so recht glauben konnte sie
nicht an Michas Prophezeiung. Für sie war der Abend
gelaufen.
53
21.05
Uhr
Das Tuten des
Freizeichens begann ihn zu nerven.
Obwohl sein Partner
stets darauf bestand, auf dem Laufenden gehalten zu werden, schien
er sich an diesem Abend nicht sonderlich für das Geschäft
zu interessieren. Nach dem zwölften Signal wurde endlich
abgehoben.
»Schläfst
du schon?«, schnaubte er wütend.
»Was willst du?
Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass du mich nicht zuhause
anrufen sollst.« Die Stimme am anderen Ende der Leitung
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