Mein Ist Die Nacht
Baumann
fragte sich nicht, woher der potenzielle Käufer an seine
Nummer gekommen war - für ihn zählten nur die Ergebnisse.
Der Mann arbeitete für einen tschechischen Konzern und war von
seinem Kunden beauftragt worden, das Industriegelände zu
begutachten, und, sollte es den Anforderungen der Tschechen
genügen, auch zu erwerben. Die Leute, die hinter dem
Geschäft standen, interessierten Klaus Baumann nicht im
geringsten, er war froh, wenn er das Objekt endlich los wurde.
Für die alte, baufällige Fabrik interessierte sich schon
seit Jahren niemand mehr. Der Boden war schadstoffbelastet und
müsste mit viel Aufwand abgetragen werden. Eine kostspielige
Angelegenheit, die viele potenzielle Kunden davon abgehalten hatte,
das Gelände zwischen Varresbeck und Sonnborn zu kaufen. Die
Fabrik war ein Fall für die Abrissbirne. Die Zufahrt zum
Gelände lag in einer kleinen verlassenen Seitenstraße.
Während Baumann das Tempo seines Mercedes drosselte und die
schwere Limousine auf das unbefestigte Grundstück steuerte,
fragte er sich, welcher Idiot sich für dieses Areal
interessieren konnte. Zwischen dem brüchigen Asphalt war
Unkraut durchgekommen, und tiefe Schlaglöcher säumten den
Weg zum Fabrikgelände. Glaslose Fenster wirkten wie die
leblosen Augenhöhlen eines Ungetüms. Graffitis bedeckten
die Backsteinfassade, und eine nur angelehnte Eisentür schwang
im Wind und erzeugte ein unheimliches Quietschen.
Wahrscheinlich trieben
sich hier nach Einbruch der Dunkelheit Jugendliche herum, um ihrem
Alkohol- und Drogenkonsum zu frönen.
Ihm war es egal,
zerstören konnten sie ja nicht mehr viel.
Baumann schaltete den
Motor ab und warf einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett. Er
hatte sich um zehn Minuten verspätet. Dennoch hatte sein
Geschäftspartner den Treffpunkt noch nicht erreicht, denn
Baumann erblickte kein anderes Fahrzeug. Er entschloss sich, einige
Minuten zu warten. Wenn er ein lukratives Geschäft witterte,
konnte er sich durchaus gedulden. Baumann zog den Schlüssel
aus dem Zündschloss und wuchtete die Fahrertür auf. Ein
eisiger Wind fegte ins Wageninnere. Längst schon hatte sich
die Dunkelheit über dem Land ausgebreitet. Der Schnee
schimmerte grau im herrschenden Zwielicht. Von der Straße
fiel das Licht der Straßenlaternen auf den Firmenhof. Baumann
stieg aus, verriegelte den Wagen und schlug den Kragen seines
dicken Wintermantels hoch. Seine Schuhe waren im Nu
durchnässt, und er fluchte ungestüm und war froh, dass
ihm dabei niemand zuhören konnte. Klaus Baumann stapfte durch
den Schnee hinüber zu den ehemaligen Bürogebäuden
der alten Fabrik und schaltete seine Taschenlampe an. Auch hier
waren die Scheiben der Fenster von Vandalen eingeschlagen
worden.
Sie hatten sich in
einem Büro ein Feuer gemacht und in die Ecke geschissen,
stellte der Immobilienhai angewidert fest. Scherben knirschten
unter jedem Schritt, den er tat. Baumann versenkte die linke Hand
in der Tasche seines Mantels und betrat das Gebäude. In einer
Ecke war Gerümpel aufgetürmt. Beißender Uringestank
kroch in seine Nase, und er schüttelte angeekelt den Kopf.
Vermutlich diente der alte Kasten Pennern als Unterschlupf bei
diesem Sauwetter. Baumann hielt es hier nicht länger aus und
trat wieder ins Freie. Nachdem er die feuchtkalte Winterluft tief
in seine Lungen aufgesogen hatte, betrat er die Fabrikationshallen
durch ein gähnendes Loch in der Mauer. Hier hatte sich einst
ein Rolltor befunden. Die beklemmende Atmosphäre umfing ihn.
Die Deckenkonstruktion war baufällig, und als er ein
Geräusch hinter sich vernahm, blickte er sich um. Doch er war
alleine hier, und so setzte er seinen Weg fort. Auch in der
ehemaligen Produktionshalle lag überall Unrat. Irgendwelche
Schweine hatten die Halle benutzt, um säckeweise Müll
hier abzuladen. Es stank nach Fäulnis, und die Balken der
Konstruktion machten einen maroden Eindruck.
Plötzlich begann
seine Taschenlampe zu flackern. Verdammt, die Batterien. Sie
erlosch schließlich ganz. Vorsichtig arbeitete er sich in
Richtung Ausgang vor. Angewidert rümpfte er immer wieder die
Nase, als er plötzlich eine Stimme hinter sich
vernahm.
»Da sind Sie ja,
Baumann.«
Er zuckte zusammen und
wirbelte auf dem Absatz seiner italienischen Designerschuhe herum.
Baumann sah eine hoch gewachsene Gestalt, die sich aus einer
dunklen Nische schälte. Das Gesicht seines Gegenübers
konnte er nicht erkennen, da es von der Dunkelheit verschluckt
wurde. Die Gestalt trug einen langen
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