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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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konnte; mit ihrem Mann war das nicht möglich gewesen. Er hatte sich immer an den Glauben geklammert, dass seinem einzigen Kind dieser Augenblick des Schreckens und der Pein erspart geblieben war.
    All dies war Alice Sommers wie jedes Jahr seit Tagen wieder durch den Kopf gegangen. Aber am Samstagmorgen, als sie erwachte, wurde ihre bedrückte und leidvolle Stimmung durch den Gedanken an den bevorstehenden Besuch von Jeannie Sheridan etwas aufgehellt.
    Um zehn Uhr läutete es. Sie öffnete und umarmte Jean mit großer Innigkeit. Es tat gut, die junge Frau in ihren Armen zu spüren. Ihr war klar, dass ihr Willkommenskuss ebenso Karen galt wie Jean.
    Über die Jahre hatte sie Jean aufblühen sehen, von dem schüchternen, zurückhaltenden sechzehnjährigen Mädchen, das sie kennen gelernt hatte, als sie in Cornwall Nachbarn wurden, bis zu der eleganten, erfolgreichen Historikerin und Buchautorin, die sie jetzt war.
    Während der zwei Jahre, die sie nebeneinander wohnten, bevor Jean die Highschool abschloss, in Chicago Arbeit fand und dann in Bryn Mawr studierte, hatte Alice das junge Mädchen sowohl bewundert als auch bedauert. Es schien unfassbar, dass sie das Kind ihrer Eltern war – von Menschen, die so in ihrem ständigen Kampf gegeneinander verstrickt waren, dass ihnen nicht bewusst wurde, was für Auswirkungen ihre in der Öffentlichkeit ausgetragenen Schlägereien auf ihr einziges Kind haben mussten.
    Selbst in der damaligen Situation hatte sie Würde gezeigt, dachte Alice, als sie Jean losließ, um sie in Augenschein zu nehmen, nur um sie gleich darauf erneut in die Arme zu
schließen. »Ist dir eigentlich klar, dass es schon acht Monate her ist, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe?«, sagte sie. »Du hast mir wirklich gefehlt, Jeannie.«
    »Du mir auch.« Jean betrachtete die ältere Frau mit großer Zuneigung. Alice Sommers war eine hübsche Frau mit silbernem Haar und blauen Augen, in denen immer eine Spur von Traurigkeit lag. Ihr Lächeln dagegen war voller Wärme. »Und du siehst wunderbar aus.«
    »Nicht schlecht für dreiundsechzig«, gab sie zu. »Seit einiger Zeit habe ich aufgehört, Geld für den Haarsalon rauszuschmeißen, daher kann man sagen, dass jetzt alles echt ist, was du siehst.«
    Untergehakt gingen sie vom Eingangsflur zum Wohnzimmer. »Mir ist gerade eingefallen, Jeannie, dass du noch nie hier gewesen bist. Wir haben uns immer in New York oder Washington getroffen. Ich werde dir zuerst mal die Wohnung zeigen, angefangen mit dem wunderbaren Blick auf den Hudson.«
    Während sie durch die Wohnung gingen, erläuterte Alice: »Ich weiß nicht, warum wir so lange in unserem alten Haus geblieben sind. Ich bin so viel glücklicher hier. Ich glaube, Michael hatte das Gefühl, wenn wir wegzögen, würden wir in gewisser Weise auch Karen zurücklassen. Er ist nie über den Verlust hinweggekommen, weißt du.«
    Jean dachte an das schöne Haus im Tudorstil, das sie als Kind so bewundert hatte. Ich kannte es wie meine Westentasche, dachte sie. Als Laura dort gewohnt hat, ging ich ständig ein und aus, und später waren Alice und ihr Mann immer so freundlich zu mir. Ich wünschte, ich hätte Karen besser gekannt. »Hat jemand, den ich vielleicht kenne, das Haus gekauft?«, fragte sie.
    »Das glaube ich nicht. Die Leute, die es gekauft haben, waren nicht aus dieser Gegend. Sie haben es letztes Jahr wieder verkauft. Soweit ich gehört habe, hat der neue Eigentümer alles ein bisschen renovieren lassen und will es jetzt
möbliert vermieten. Viele Leute meinen, Jack Emerson sei der wahre Käufer. Es geht das Gerücht um, dass er sich eine ganze Menge Immobilien in der Stadt unter den Nagel gerissen hat. Man könnte sagen, dass er es ganz schön weit gebracht hat von dem kleinen Jungen, der früher immer die Büros geputzt hat. Er ist ein richtiger Unternehmer geworden.«
    »Er ist der Organisator des Klassentreffens.«
    »Und die treibende Kraft dahinter. Noch nie hat es so viel Wirbel um ein zwanzigstes Jubiläum in Stonecroft gegeben.« Alice Sommers zuckte die Schultern. »Aber auf diese Weise bist wenigstens du hergekommen. Ich hoffe, dass du hungrig bist. Es gibt Waffeln mit Erdbeeren zum Frühstück.«
    Jean wartete bis zur zweiten Tasse Kaffee, dann holte sie das Fax und den Briefumschlag mit der Bürste hervor und erzählte Alice von Lily. »Dr. Connors kannte ein Ehepaar, das sich ein Kind wünschte. Sie waren seine Patienten, das heißt, dass sie in dieser Gegend gewohnt haben müssen.

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