Mein ist die Stunde der Nacht
vorbeigekommen.«
Sie ließ die Zeitung sinken. »Jack, als ich darauf bestanden habe, dass Sandy auf ein Internat geht und nicht auf deine geliebte Stonecroft-Schule, da musst du doch gewusst haben, dass etwas in der Luft liegt.«
»Kann schon sein.« Jetzt kommt’s, dachte er.
»Ich habe beschlossen, wieder nach Connecticut zu ziehen. Für die erste Zeit habe ich ein Haus in Westport gemietet, bis ich etwas zu kaufen finde, was mir gefällt. Wir werden uns schon über eine Besuchsregelung für Sandy einigen. Abgesehen davon, dass du ein miserabler Ehemann bist, warst du ein akzeptabler Vater, und es ist für alle Seiten besser, wenn wir uns auf freundlichem Wege trennen. Ich weiß genau, was du wert bist, also lass uns nicht zu viel Geld für die Anwälte verschwenden.« Sie stand auf. »Jack Emerson – ein Mensch, der mit jedem auskommt, jovial, gesellig, witzig, ein gewiefter Geschäftsmann. Das sagen die Leute von dir, Jack. Aber abgesehen von deinen ewigen Frauengeschichten muss es in deinem Innern noch irgendetwas geben, das ständig an dir nagt. Aus purer Neugier würde ich gerne erfahren, was das ist.«
Ein kaltes Lächeln huschte über Jacks Gesicht. »Als du darauf bestanden hast, Sandy nach Choate zu schicken, war mir natürlich klar, dass das der erste Schritt sein sollte, um zurück nach Connecticut zu gehen. Ich habe noch überlegt, ob ich versuchen soll, es dir auszureden – das heißt, ich habe genau zehn Sekunden lang überlegt. Danach habe ich gefeiert.«
Und wenn du meinst, du wüsstest, wie viel ich wert bin, solltest du lieber noch mal überlegen, fügte er in Gedanken hinzu.
Rita Emerson zuckte die Achseln. »Du wolltest schon immer unbedingt das letzte Wort haben. Und soll ich dir mal was sagen, Jack? Unter der dünnen Lackschicht, die du zur Schau trägst, bist du immer noch derselbe billige kleine Hausmeister, der sich immer darüber geärgert hat, dass er nach der Schule Fußböden aufwischen muss. Und falls du versuchen solltest, mich bei der Scheidung reinzulegen, könnte ich eventuell die Polizei darauf hinweisen, dass du mir gegenüber eingestanden hast, vor zehn Jahren das Feuer in dem Bürohaus gelegt zu haben.«
Er starrte sie an. »Was soll das? So was habe ich nie zu dir gesagt.«
»Aber sie werden mir glauben, meinst du nicht? Du hast in dem Gebäude gearbeitet und kanntest es in- und auswendig, und du wolltest unbedingt das Grundstück haben für das Einkaufszentrum, das du geplant hast. Nach dem Brand hast du es billig kaufen können.« Sie hob eine Augenbraue. »Geh schon und hol deine Schulkrawatte, Jack. In ein paar Stunden werde ich verschwunden sein. Vielleicht kannst du eine deiner ehemaligen Klassenkameradinnen abschleppen und heute Nacht hier ein richtiges Klassentreffen feiern. Ich werde dir nicht mehr im Weg sein.«
16
DAS GEFÜHL, ENDLICH etwas unternommen zu haben, gab Jean ein wenig Ruhe zurück. Alice Sommers hatte versprochen, Sam Deegan anzurufen und zu versuchen, ein Treffen für Sonntagnachmittag zu arrangieren. »Er kommt sowieso meistens an Karens Todestag vorbei«, hatte sie gesagt.
Ich muss nicht unbedingt morgen wieder nach Hause fahren, dachte Jean. Ich könnte noch eine Woche im Hotel bleiben. Im Recherchieren bin ich gut. Vielleicht finde ich jemanden, der bei Dr. Connors gearbeitet hat, eine Arzthelferin oder Sekretärin, die mir sagen kann, was für Aufzeichnungen er über die Geburten der Babys gemacht hat, deren Adoption er vermittelt hat. Vielleicht hat er ja Kopien von den Unterlagen an einem anderen Ort aufbewahrt. Sam Deegan könnte mir dabei helfen herauszufinden, wie ich an diese Unterlagen komme, vorausgesetzt, dass sie tatsächlich existieren.
Dr. Connors hatte das Baby in Chicago an sich genommen. Wäre es denkbar, dass er die Geburt dort gemeldet hatte? War die Adoptivmutter mit ihm nach Chicago geflogen, oder hatte er Lily nach Cornwall gebracht?
Alle Teilnehmer des Klassentreffens, die selbstständig nach West Point fuhren, waren angewiesen worden, ihren Wagen auf dem Parkplatz neben dem Thayer-Hotel stehen zu lassen. Jean spürte einen Kloß im Hals, als sie durch das Tor
auf das Gelände der Militärakademie einbog. Wie so oft in den vergangenen Tagen musste sie an das letzte Mal denken, dass sie dort gewesen war – an die Abschlussfeier von Reeds Klasse, als sie zusehen musste, wie seine Eltern seine Urkunde und seinen Säbel entgegennahmen.
Die meisten Teilnehmer des Treffens befanden sich auf der Besichtigungstour
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