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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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diese Erziehungsauffassung, weil sie ihn mit einer illusionslosen Weltsicht ausgestattet habe, die ihm später sehr nützlich gewesen sei.
    Stewarts Worte wurden mit nervösem Gelächter und spärlichem Applaus aufgenommen.
    Der Komiker Robby Brent erheiterte das Publikum mit seinen witzigen Parodien einiger Lehrer, die ihm ständig damit gedroht hätten, ihn nicht zu versetzen – in diesem Fall hätte er sein Stipendium für Stonecroft verloren. Eine dieser Lehrerinnen war anwesend und lächelte tapfer zu Brents gnadenloser Parodie ihrer Gesten und Geziertheiten und der perfekten Nachahmung ihrer Stimme. Miss Ella Bender dagegen, sonst eine der unerschütterlichsten unter den Mathematiklehrern, war den Tränen nahe, als Brent das Publikum zu Lachstürmen hinriss mit seiner perfekten Imitation ihrer hohen Piepsstimme und ihres nervösen Kicherns.
    »Ich war der Jüngste und der Dümmste der Brents«, schloss Robby. »Sie haben dafür gesorgt, dass ich das nie vergessen
habe. Als Schutz habe ich meinen Humor entwickelt, und dafür bin ich Ihnen dankbar.«
    Danach zwinkerte er mit den Augen und verzog den Mund, genauso, wie Direktor Downes mit den Augen zu zwinkern und seinen Mund zu verziehen pflegt, und überreichte ihm einen Scheck über einen Dollar – sein Beitrag für das Bauprojekt.
    Als sich ein allgemeines Raunen im Publikum erhob, rief er: »Kleiner Scherz!«, und winkte mit einem Scheck über zehntausend Dollar, den er feierlich überreichte.
    Manche Leute aus dem Publikum fanden seinen Auftritt überwältigend komisch. Andere, unter ihnen Dr. Jean Sheridan, hatten die launigen Grobheiten von Brent eher betroffen gemacht. Man hörte sie später im Gespräch sagen, sie glaube nicht, dass Humor so grausam sein solle.
    Gordon Amory, unser Kabelfernseh-Tycoon, war als Nächster an der Reihe. »Ich habe es nie geschafft, in Stonecroft Mitglied einer Sportmannschaft zu werden«, sagte er. »Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich mir gewünscht habe, wenigstens einmal die Chance zu bekommen, in die Reihe der besten Sportler aufgenommen zu werden – was die Richtigkeit der alten Redensart zeigt: ›Sei vorsichtig, wenn du dir etwas wünschst. Es könnte in Erfüllung gehen.‹ Stattdessen wurde ich fernsehsüchtig, und bald begann ich, den Kram zu analysieren, den
ich mir anschaute. Irgendwann wusste ich einfach, woran es lag, dass manche Programme oder Sitcoms oder Dokudramen Erfolg hatten, und warum andere nichts taugten. So fing meine Karriere an. Sie war auf Ablehnung, Enttäuschung und Schmerz gegründet. Und, ach ja, bevor ich wieder abfahre, möchte ich noch ein hartnäckiges Gerücht aus der Welt schaffen. Ich habe nicht mit Absicht Feuer im Haus meiner Eltern gelegt. Ich habe eine Zigarette geraucht, den Fernseher abgeschaltet und bin zu Bett gegangen, und dabei habe ich nicht gemerkt, dass die noch glühende Kippe unter die leere Pizzaschachtel geraten war, die meine Mutter auf der Couch hinterlassen hatte.«
    Bevor das Publikum reagieren konnte, überreichte Mr Amory einen Scheck über hunderttausend Dollar für das Bauprojekt und sagte mit ironischem Unterton zu Direktor Downes: »Möge auch in Zukunft an der Stonecroft Academy das große Werk der Bildung wachsen und gedeihen.«
    Genauso gut hätte er sagen können, ihr könnt mich alle mal kreuzweise, dachte Jake, als er daran dachte, wie Amory sich mit einem selbstzufriedenen Grinsen wieder zu seinem Platz auf dem Podium begab.
    Der letzte Ehrengast, Dr. Jean Sheridan, sprach über ihre Kindheit in Cornwall, der Stadt, die vor fast 150 Jahren noch eine Enklave der Reichen und Privilegierten gewesen war. »Mir ist bewusst, dass
ich als Stipendiatin in Stonecroft in den Genuss einer ausgezeichneten Bildung gekommen bin. Aber außerhalb des Schulgeländes, in der Stadt und auf dem Land, gab es noch mehr Dinge zu lernen. Hier und in der Umgebung der Stadt wurde meine Liebe zur Geschichte geweckt, die mein weiteres Leben und meine Karriere bestimmt hat. Dafür werde ich immer dankbar sein.«
    Dr. Sheridan hat nicht gesagt, dass sie hier glücklich gewesen ist, dachte Jake Perkins, oder dass all die alten Bekannten sie an die Streitereien ihrer Eltern erinnerten, die damals Stadtgespräch waren. Oder dass sie, wie man weiß, einige Male nach einem der öffentlich bekannt gewordenen Zwischenfälle weinend in der Klasse zusammengebrochen ist.
    Wie auch immer, morgen ist alles vorbei, sagte sich Jake, als er seine Glieder streckte und zum Fenster

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