Mein ist die Stunde der Nacht
Abendkleid zu streifen.
Dann war sie an der Wagentür und öffnete sie. Sie ließ sich neben ihn auf den Vordersitz gleiten. »Entführ mich, Liebling«, sagte sie lachend. »Ist das nicht lustig?«
24
JAKE PERKINS WAR NOCH spätabends auf, um seinen Bericht über das Bankett für die Stonecroft Academy Gazette zu schreiben. Von dem Haus an der Riverbank Lane blickte man auf den Hudson, und er liebte diese Aussicht wie wenig andere Dinge in seinem Leben. Mit seinen sechzehn Jahren hielt er sich bereits für so etwas wie einen Philosophen, außerdem für einen guten Schriftsteller und einen feinen Beobachter menschlicher Verhaltensweisen.
In einem Augenblick tiefen Nachdenkens war ihm aufgegangen, dass die Gezeiten und Strömungen des Flusses für ihn die Leidenschaften und Stimmungen der Menschen symbolisierten. Er liebte es, solche tief schürfenden Gedanken in seine Artikel einzubringen. Natürlich wusste er, dass Mr Holland, der Englischlehrer, der als Berater und Zensor der Gazette fungierte, die Kolumnen, die er eigentlich schreiben wollte, niemals würde durchgehen lassen. Aber zu seinem Vergnügen schrieb Jake sie zunächst so, wie er sie gerne in der Zeitung gesehen hätte, bevor er die Version verfasste, die er am Ende vorlegen würde.
Der Ballsaal des verstaubten Glen-Ridge House ist etwas heruntergekommen, aber mit den blau-weißen Transparenten und Tafelaufsätzen von Stonecroft hatte man wenigstens
ein bisschen Farbe hineingebracht. Das Essen erwies sich, wie zu erwarten war, als grausam. Es begann mit etwas Undefinierbarem, das als Meeresfrüchte-Cocktail angekündigt war, daran schloss sich ein Filet Mignon an, welches gnadenlos durchgebraten, dafür aber kaum noch warm war, dazu gab es Bratkartoffeln, die man durchaus als tödliche Waffen hätte benutzen können, und welke grüne Bohnen. Geschmolzenes Eis mit Schokoladensoße rundeten den ehrgeizigen Versuch des Küchenchefs ab, in die Gourmetklasse aufzusteigen.
Das städtische Publikum war zahlreich erschienen, um die ehemaligen Schüler zu ehren, die alle früher in Cornwall gelebt haben. Es ist allgemein bekannt, dass Jack Emerson, der Vorsitzende und die treibende Kraft hinter dem Klassentreffen, mit seinen Bemühungen einen Zweck verfolgt, der nicht unbedingt in Zusammenhang steht mit dem Wunsch, die ehemaligen Klassenkameraden in die Arme zu schließen. Das Bankett sollte zugleich den Startschuss geben für ein Bauprojekt in Stonecroft, ein Erweiterungsgebäude, das auf einem Grundstück geplant ist, welches sich derzeit im Besitz von Emerson befindet, und das von dem Bauunternehmen gebaut werden soll, welches ebenfalls Emerson gehört.
Die sechs Ehrengäste saßen auf dem Podium zusammen mit Bürgermeister Walter Carlson, Direktor Alfred Downes und den Kuratoren …
In dieser Version des Artikels kann ich die Namen eigentlich weglassen, entschied Jake.
Als Erste wurde Laura Wilcox mit der Medaille für besondere Verdienste geehrt. Ihr Goldlamé-Kleid hielt die meisten anwesenden Männer davon ab, dem, was sie von sich gab, größere Aufmerksamkeit zu schenken. Es lief darauf hinaus, dass sie es als Kind sehr schön in dieser Stadt gehabt haben soll. Nachdem sie bislang nie wieder in Cornwall aufgetaucht war und es schwerfällt, sich vorzustellen, dass die glamouröse Miss Wilcox je einen Einkaufsbummel auf der Main Street machen würde oder sich eine Tätowierung in unserem neu eröffneten Tattoo-Salon machen ließe, wurden ihre Ausführungen mit höflichem Applaus und einzelnen Pfiffen bedacht.
Dr. Mark Fleischman, Psychotherapeut und durch das Fernsehen bekannte Persönlichkeit, hielt eine einfache und vielbeachtete Dankesrede, in welcher er Eltern und Lehrer ermahnte, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken. »In der Welt da draußen gibt es allzu viele, die nur darauf warten, sie fertig zu machen«, sagte er. »Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie sich in ihrer Haut wohl fühlen, auch wenn Sie ihnen gleichzeitig die notwendigen Grenzen setzen.«
Carter Stewart, der Bühnenautor, hielt eine ironische Rede, in der er anmerkte, er gehe davon aus, dass die Leute aus der
Stadt und die ehemaligen Schüler, die für viele der Figuren in seinen Stücken Pate gestanden hätten, alle im Saal anwesend seien. Auch sagte er, im Gegensatz zu Dr. Fleischmans Ausführungen habe sein Vater an den alten Wahlspruch geglaubt: Wer mit der Rute spart, verzieht das Kind. Daraufhin dankte er seinem inzwischen verstorbenen Vater für
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