Mein ist die Stunde der Nacht
Mark gewendet hat. Er ist nicht einmal zu ihrem Begräbnis gekommen. Und sie hat ihn von ihrem Erbe ausgeschlossen; von ihrer Familie mütterlicherseits her besaß sie nämlich ein größeres Vermögen. Mark hat zu dieser Zeit noch studiert.«
»Aber er war doch erst dreizehn, als der Unfall passiert ist«, protestierte Jean.
»Und immer eifersüchtig auf den Bruder«, sagte Carter Stewart ungerührt. »So viel steht fest. Aber vielleicht hat er tatsächlich mit seinem Vater Kontakt aufgenommen, und vielleicht hat er noch einen Schlüssel zum Haus, und vielleicht wusste er, dass sein Vater nicht da ist.«
Hatte Mark sie angelogen, als er behauptet hatte, dass er nach Boston zurückmüsse?, fragte sich Jean. Er ist in der Bar extra zu uns an den Tisch gekommen, als ich dort mit Alice
und Sam saß, um uns zu erzählen, dass er am Haus seines Vaters vorübergegangen sei. War es möglich, dass er noch immer hier in der Stadt war, zusammen mit Laura?
Ich will das nicht glauben, gestand sie sich ein. Inzwischen warf Gordon Amory einen neuen Vorschlag in die Runde: »Wir gehen alle davon aus, dass Laura mit jemandem weggegangen ist. Es ist aber genauso gut möglich, dass sie zu jemandem gegangen ist. Es ist nicht weit von hier nach Greenwich, Bedford oder Westport, wo eine Reihe von ihren prominenten Bekannten Häuser haben.«
Jack Emerson hatte eine Liste der Leute mitgebracht, die zu dem Klassentreffen gekommen waren. Am Ende beschlossen sie, jeder solle einen Teil der Namen übernehmen, die Leute anrufen, ihnen die Sorgen um Laura mitteilen und fragen, ob sie irgendeine Ahnung hätten, wo Laura hingegangen sein könnte.
Beim Verlassen des Speisesaals verabredeten sie, sich am nächsten Morgen wieder zu sprechen, worauf Carter Stewart und Jack Emerson sich auf den Weg zu ihren Autos machten. In der Eingangshalle sagte Jean zu Gordon Amory und Robby Brent, sie wolle noch einmal an der Rezeption nachfragen.
»Gut, dann verabschiede ich mich jetzt«, sagte Gordon. »Ich muss noch ein paar Anrufe erledigen.«
»Es ist Sonntagabend, Gordie«, sagte Robby Brent. »Was könnte so wichtig sein, dass es nicht bis morgen früh warten kann?«
Gordon Amory starrte Robby Brent an, der ein unschuldiges Gesicht aufgesetzt hatte. »Wie du weißt, lege ich Wert darauf, ›Gordon‹ genannt zu werden«, sagte er ruhig. »Gute Nacht, Jean.«
»Er ist ja so von sich überzeugt«, sagte Robby und blickte Gordon nach, der die Halle durchmaß, bei den Aufzügen stehen blieb und den Knopf drückte. »Ich möchte wetten, dass er raufgeht und den Fernseher einschaltet. Heute Abend
ist die erste Folge einer neuen Serie auf einem seiner Kanäle. Vielleicht will er aber auch nur vor dem Spiegel stehen und sein hübsches neues Gesicht betrachten. Ehrlich, Jeannie, dieser plastische Chirurg muss ein Genie sein. Kannst du dich noch erinnern, wie dämlich Gordie als Kind ausgesehen hat?«
Es ist mir egal, was er oben in seinem Zimmer macht, dachte Jean. Ich möchte nur noch nachfragen, ob Laura sich inzwischen gemeldet hat, und danach selbst auf mein Zimmer gehen und schlafen. »Umso erstaunlicher, dass er es geschafft hat, sein Leben umzukrempeln. Er hatte doch eine ziemlich harte Kindheit.«
»Wie wir alle«, sagte Robby wegwerfend. »Selbstverständlich mit Ausnahme unserer Schönheitskönigin.« Er zuckte die Achseln. »Ich hol mir eine Jacke, und dann werde ich noch ein bisschen rausgehen. Ich bin ein Gesundheitsfanatiker, und bis auf ein paar kürzere Spaziergänge habe ich dieses Wochenende keine Bewegung gehabt. Der Fitnessraum hier ist das Allerletzte.«
»Gibt es eigentlich irgendetwas an dieser Stadt oder an diesem Hotel oder an den Leuten, die du getroffen hast, das in deinen Augen nicht das Allerletzte ist?«, fragte Jean, ohne darauf zu achten, dass ihre Stimme scharf klang.
»Sehr wenig«, sagte Robby munter, »mit Ausnahme von dir natürlich, Jeannie. Ich hatte den Eindruck, du warst ein bisschen ärgerlich, als wir davon gesprochen haben, dass Mark das ganze Wochenende über Laura nachgelaufen ist. Mir ist nämlich keineswegs entgangen, dass Mark sich auch um dich bemüht hat. Man wird nicht so richtig schlau aus ihm, aber bekanntlich spinnen die meisten Psychotherapeuten ja noch mehr als ihre Patienten. Wenn es stimmt, dass Mark die Handbremse bei dem Auto gelöst hat, das seinen Bruder überrollt hat, dann frage ich mich, ob da nicht eine bewusste oder unbewusste Absicht vorlag. Schließlich war es das neue Auto seines
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