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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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geworden sind. In den Interviews mit Ihnen wurde Ihr neuer Vertrag mit Ihrem Verlag erwähnt. Am wahrscheinlichsten scheint mir, dass irgendein Bekannter von Lily versucht, Sie zu erpressen, indem er droht, Lily etwas anzutun. Ich werde morgen Früh den Pfarrer von St. Thomas aufsuchen. Fangen Sie an, eine Liste derjenigen Leute aufzustellen, mit denen Sie damals näher bekannt wurden, besonders alle, die Zugang zu Ihren Unterlagen gehabt haben könnten.«
    Sams ruhige Überlegungen bewirkten, dass der bei Jean aufkeimenden Panik die Spitze genommen wurde. Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, setzte sie sich mit einem Stift und einem Notizblock an den Tisch und schrieb auf die erste Seite: PRAXIS DR. CONNORS.
    Seine Sprechstundenhilfe war eine freundliche, ziemlich dicke Frau um die fünfzig gewesen, erinnerte sie sich. Ihr Nachname war irisch und fing mit K an. Kelly … Kennedy … Keegan … Es wird mir schon einfallen, dachte sie.
    Immerhin ein Anfang.
    Das schrille Klingeln ihres Handys ließ sie zusammenzucken. Sie schaute auf die Uhr, als sie es in die Hand nahm. Fast elf. Laura, dachte sie. Vielleicht ist sie wieder da.
    Sams Nachricht, dass Laura an der Rezeption angerufen habe, sollte erleichternd auf Jean wirken, aber die Besorgnis in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Sie sind nicht davon überzeugt, dass sie in Sicherheit ist, oder?«, fragte sie.
    »Noch nicht, aber immerhin hat sie angerufen.«
    Das bedeutet, dass sie noch am Leben ist, dachte Jean. Das will er damit sagen. Sorgfältig wählte sie ihre Worte. »Glauben Sie, dass Laura aus irgendeinem Grund nicht in der Lage ist, ins Hotel zu kommen?«
    »Jean, ich wollte Sie eigentlich mit diesem Anruf beruhigen, aber ich denke, es ist besser, wenn ich Ihnen alles sage. Tatsache ist, dass zwei Personen, die den Anruf mitgehört
haben, übereinstimmend sagen, dass ihre Stimme verzweifelt klang. Laura und Sie sind die beiden einzigen Frauen aus der Mittagsrunde, die noch am Leben sind. Bevor wir nicht genau wissen, wo sie sich befindet und bei wem, müssen Sie sehr, sehr vorsichtig sein.«

40
    SIE WUSSTE, DASS ER SIE umbringen würde. Die Frage war nur, wann. Schwer zu glauben, aber sie war tatsächlich eingeschlafen, nachdem er fortgegangen war. Licht sickerte durch die geschlossenen Jalousien; es musste demnach Morgen sein. War es Montag oder Dienstag?, fragte sich Laura, während sie noch darum kämpfte, nicht vollständig wach zu werden.
    Als sie am Samstag spätabends hier angekommen waren, hatte er eine Flasche Sekt geöffnet, zwei Gläser eingeschenkt und ihr zugeprostet. Dann hatte er gesagt: »Bald ist Halloween. Willst du mal die Maske sehen, die ich gekauft habe?«
    Er hatte eine Maske mit dem Gesicht einer Eule aufgesetzt. Riesige Augen mit großen schwarzen Pupillen inmitten einer grellgelben Iris, umgeben von gräulichen Flaumfedern, die zum scharfen Schnabel und dem schmalen Mund hin ins Dunkelbraune wechselten. Ich habe angefangen zu lachen, erinnerte sie sich, weil ich dachte, dass er das von mir erwartete. Aber ich habe gleichzeitig gespürt, dass etwas mit ihm geschehen war – er hatte sich verwandelt. Noch bevor er die Maske abnahm und meine Hände packte, wusste ich, dass ich in eine Falle gegangen war.
    Er hatte sie nach oben geschleift, ihr die Hand- und Fußgelenke gefesselt und ihren Mund mit einem Knebel verschlossen, sorgfältig darauf achtend, die Nase frei zu lassen, damit sie nicht erstickte. Anschließend hatte er ein Seil um
ihre Taille geschlungen und es am Bettrahmen befestigt. »Hast du zufällig Meine liebe Rabenmutter gelesen?«, hatte er gefragt. »Joan Crawford hat ihre Kinder immer im Bett angebunden, um sicher zu sein, dass sie nachts nicht aufstanden. Sie nannte es ›sicherer Schlaf‹.«
    Dann hatte er sie den Satz mit der Eule im Baum aufsagen lassen, jenen Satz aus der Aufführung in der Volksschule, damals. Wieder und wieder hatte sie ihn sagen müssen, und dann hatte er sie gezwungen, nachzumachen, wie ihn die Mädchen vom Mittagstisch auslachten. Und jedes Mal hatte sie sehen können, wie die mörderische Wut in seinen Augen aufflackerte. »Ihr habt mich ausgelacht«, hatte er gesagt. »Ich verachte dich, Laura. Dein Anblick widert mich an.«
    Bevor er wegging, hatte er sein Handy auf die Frisierkommode gelegt. »Denk darüber nach, Laura. Wenn du das Handy erreichst, könntest du Hilfe holen. Aber gib dir lieber keine Mühe. Sobald du versuchst, dich zu befreien, werden sich die Fesseln noch

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