Mein ist die Stunde der Nacht
während sie auflegte und auf das Bett sank. Könnte er derjenige sein, der mir das antut? Er hat immer in dieser Stadt gewohnt. Wenn die Leute, die Lily adoptiert haben, auch hier wohnen, kennt er sie möglicherweise.
Sie hörte ein Geräusch, wandte den Kopf und sah, wie ein brauner Umschlag unter der Tür hindurchgeschoben wurde. Sie rannte zur Tür und riss sie auf.
Dahinter richtete sich der Hoteldiener mit einer entschuldigenden Miene auf. »Dr. Sheridan, ein Fax ist für Sie gekommen, kurz nachdem ein ganzer Haufen für einen anderen Gast eingegangen ist. Ihr Fax ist versehentlich unter die anderen geraten. Der Gast hat es gerade erst entdeckt und nach unten zum Empfang gebracht.«
»Ist schon gut«, sagte Jean leise. Vor Angst hatte sie fast keinen Ton herausgebracht. Sie schloss die Tür und hob den Umschlag auf. Mit zitternden Händen öffnete sie ihn. Es geht um Lily, dachte sie.
Und es ging tatsächlich um Lily. Der Text lautete:
Jean, ich schäme mich so schrecklich. Ich habe von Anfang an von Lily gewusst, und ich kenne die Leute, die sie adoptiert haben. Sie ist ein wundervolles Mädchen. Sie ist klug, studiert im zweiten Jahr am College und ist sehr glücklich. Ich hatte nicht die Absicht, dich glauben zu machen, dass ich sie wirklich bedrohe. Ich
brauche sehr dringend Geld, und in meiner Verzweiflung dachte ich, ich könnte es auf diese Weise bekommen. Mach dir bitte keine Sorgen um Lily. Es geht ihr gut. Ich werde mich bald bei dir melden. Vergib mir, und sag bitte allen Leuten, dass mit mir alles in Ordnung ist. Der Werbegag war eine Idee von Robby Brent. Er wird versuchen, die Sache wieder auszubügeln. Er möchte erst noch mit seinen Produzenten reden, bevor er eine Erklärung für die Presse abgibt.
Laura
Mit weichen Knien sank Jean auf das Bett. Als sie die Nummer von Sams Handy wählte, liefen ihr Tränen der Erleichterung und Freude über die Wangen.
Jeans Anruf ließ Sam aus seinem friedlichen Nickerchen, das er genoss, während Alice Sommers in der Küche beschäftigt war, hochschrecken. »Wieder ein Fax, Jean? Beruhigen Sie sich. Lesen Sie es mir vor.« Er lauschte. »Unglaublich«, sagte er. »Diese Frau soll Ihnen das angetan haben?«
»Sprechen Sie mit Jean? Ist alles in Ordnung?« Alice stand in der Tür.
»Ja. Laura Wilcox hat die Faxe geschickt. Sie hat sich entschuldigt und gesagt, sie habe Lily niemals etwas antun wollen.«
Alice nahm ihm das Handy aus der Hand. »Jean, bist du in der Lage zu fahren?« Sie lauschte. »Dann komm doch bitte her …«
Als Jean vor ihr stand, erblickte Alice auf ihrem Gesicht die überglückliche Freude, die sie selbst empfunden hätte, wenn Karen damals auf irgendeine Weise verschont geblieben
wäre. Sie umarmten sich. »Oh, Jean, ich habe immer wieder gebetet und gebetet.«
Jean drückte sie an sich. »Ich weiß. Es ist schwer zu glauben, dass Laura mir das antun konnte, aber ich bin ganz sicher, dass sie Lily niemals wehtun würde. Es ging also wirklich nur um Geld, Sam. Aber … Mein Gott, wenn Laura so verzweifelt war, warum hat sie mich dann nicht einfach gebeten, ihr zu helfen? Vor einer halben Stunde wollte ich dir noch sagen, dass ich Jack Emerson für denjenigen hielt, der von Lily wusste.«
»Jean, komm erst mal herein, setz dich, und beruhig dich. Trink ein Gläschen Sherry, und erzähl mir, was du damit meinst. Was hat Jack Emerson mit der ganzen Sache zu tun?«
»Ich habe gerade etwas erfahren, das mich glauben ließ, dass er dahinter steckte.« Gehorsam schlüpfte Jean aus ihrem Mantel, ging ins Wohnzimmer, setzte sich in den Sessel, der dem Kamin am nächsten stand, und bemühte sich, mit ruhiger Stimme von dem Anruf Peggy Kimballs zu erzählen. »Jack hat in dem Bürogebäude gearbeitet, in der Zeit, als ich bei Dr. Connors war. Er hat das Klassentreffen organisiert, um uns alle hier zu versammeln. In seinem Arbeitszimmer hat er das Foto von Laura, von dem Robby Brent gesprochen hat. Es schien alles zusammenzupassen – bis dieses Fax gekommen ist. Oh, das habe ich Ihnen noch nicht gesagt. Das Fax ist schon gegen zwölf Uhr mittags angekommen, aber versehentlich unter die Nachrichten für einen anderen Gast geraten.«
»Sie hätten es bereits um zwölf Uhr erhalten sollen?«, fragte Sam rasch.
»Ja, und wenn ich es sofort erhalten hätte, wäre ich gar nicht erst zu Craig Michaelson gegangen. Ich habe schon versucht, ihn telefonisch zu erreichen, für den Fall, dass er vorhatte, Lilys Adoptiveltern zu verständigen.
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