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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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befolgen und beim Gericht ein Gesuch um Einsicht in die Akten einzureichen?«
    »Auf jeden Fall. Ich bin morgen früh mit Sam Deegan in seinem Büro verabredet.«
    »Ich denke, das ist vernünftig. Jean, was ist mit Laura? Du glaubst doch auch nicht, dass das alles nur ein Werbegag ist, oder?«
    »Nein.« Jean zögerte. Es ging auf halb fünf zu, und die Spätnachmittagssonne zeichnete lange, schräge Schatten in
den fast menschenleeren Kaffeeraum. Sie blickte über den Tisch hinweg auf Mark. Er trug ein offenes Polohemd und einen dunkelgrünen Pullover. Er ist einer von diesen Männern, die immer ein jungenhaftes Aussehen behalten, dachte sie – bis auf seine Augen. »Wer von unseren Lehrern war das gleich wieder, der dich einmal einen ›jungen Weisen‹ genannt hat?«, fragte sie.
    »Das war Mr Hastings. Wie kommst du darauf?«
    »Er meinte, du seist Gleichaltrigen in puncto Weisheit weit voraus.«
    »Ich bin nicht sicher, ob das als Kompliment gemeint war. Du willst doch auf irgendetwas hinaus, Jeannie.«
    »Ja, du hast Recht. Ein Weiser ist für mich ein Mensch mit großem Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis. Als ich in mein Auto gestiegen bin, nach dem Besuch bei Craig Michaelson, war ich innerlich aufgewühlt. Das habe ich dir schon erzählt. Aber dann, Mark, habe ich etwas Merkwürdiges erlebt: Ich habe Lauras Stimme gehört, so deutlich, als ob sie im Auto neben mir gesessen hätte. Sie sagte: ›Jean, hilf mir. Bitte, Jean, hilf mir.‹«
    Sie wartete seine Reaktion ab. »Bestimmt glaubst du jetzt, ich sei übergeschnappt«, sagte sie vorsichtig.
    »Nein, das stimmt nicht, Jeannie. Wenn jemand an die Möglichkeit gedanklichen Kommunizierens glaubt, dann ich. Aber wenn Laura wirklich in Schwierigkeiten steckt, wie passt dann Robby Brent in dieses Schema?«
    »Ich habe keine Ahnung.« Jean hob die Hand in einer hilflosen Geste, dann blickte sie um sich. »Ich glaube, wir sollten langsam gehen. Sie fangen schon an, die Tische für das Abendessen zu decken.«
    Mark winkte der Bedienung. »Ich würde gerne mit dir zusammen essen, aber heute Abend habe ich die seltene Ehre, mit meinem Vater das Brot zu teilen.«
    Jean blickte ihn prüfend an, unsicher, wie sie darauf reagieren sollte. Sein Gesichtsausdruck war undurchschaubar
geblieben. Schließlich sagte sie: »Ich weiß, dass ihr euch entfremdet habt. Hat er dich angerufen?«
    »Ich bin heute am Haus vorbeigegangen. Sein Auto stand vor der Garage. Aus einem plötzlichen Entschluss heraus bin ich zur Haustür gegangen und habe geklingelt. Wir haben lange gesprochen – nicht lange genug, um irgendetwas aus der Welt zu schaffen, aber dann hat er mich gebeten, mit ihm zu Abend zu essen. Ich habe zugesagt, unter der Bedingung, dass er bereit ist, mir auf gewisse Fragen zu antworten.«
    »Und war er einverstanden?«
    »Ja. Wir werden sehen, ob er Wort hält.«
    »Ich hoffe, dass es euch gelingt, das auszuräumen, was zwischen euch steht.«
    »Das hoffe ich auch, Jeannie, aber ich rechne nicht damit.«
    Sie stiegen gemeinsam in den Aufzug. Mark drückte die Knöpfe zur dritten und fünften Etage.
    »Ich hoffe, du hast eine schönere Aussicht als ich«, sagte Jean. »Mein Fenster geht auf den Parkplatz.«
    »Dann ist meine schöner«, sagte er. »Mein Zimmer geht nach vorne raus. Wenn ich zur richtigen Zeit da bin, kann ich den Sonnenuntergang sehen.«
    »Dafür kann ich sehen – jedenfalls wenn ich zufällig gerade wach bin –, wer hier mitten in der Nacht ankommt«, sagte Jean, als der Aufzug im dritten Stock hielt. »Mach’s gut, Mark.«
    Das blinkende Licht an ihrem Zimmertelefon signalisierte eine Nachricht. Der Anruf kam von Peggy Kimball und war erst vor kurzem aufgezeichnet worden. »Jean, ich habe gerade eine Pause im Krankenhaus, deshalb fasse ich mich kurz. Nach unserem Treffen ist mir eingefallen, dass Jack Emerson bei der Putzkolonne in unserem Gebäude gearbeitet hat, in der Zeit, als Sie zu Dr. Connors gekommen sind. Ich habe Ihnen erzählt, dass Dr. Connors die Schlüssel zu seinem Aktenschrank immer in seiner Tasche hatte, aber irgendwo muss er einen Reserveschlüssel versteckt gehabt
haben, denn ich kann mich erinnern, dass er an einem Tag sein Schlüsselbund zu Hause vergessen hatte und trotzdem den Schrank öffnen konnte. Es wäre also möglich, dass Emerson oder jemand anders tatsächlich Ihre Akte gesehen hat. Wie auch immer, ich dachte, das sollte ich Ihnen noch sagen. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    Jack Emerson, dachte Jean,

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