Mein ist die Stunde der Nacht
Ich wollte ihm sagen, er soll damit warten, bis ich wieder etwas von Laura
gehört habe. Es gibt keine Notwendigkeit mehr, sie unnötig zu beunruhigen.«
»Haben Sie jemandem von diesem Fax von Laura erzählt?« , fragte Sam ruhig.
»Nein. Ich war gerade auf mein Zimmer gegangen, als ich es bekam. Wir saßen bestimmt noch eine Stunde zusammen und haben geredet, Mark und ich, nachdem Sie gegangen sind. Oh, ich sollte Mark vielleicht anrufen, bevor er zum Abendessen weggeht. Er wird sich sehr freuen, die Neuigkeit zu erfahren. Er versteht genauso gut wie Sie beide, was für schreckliche Sorgen ich mir gemacht habe.«
Jede Wette, dass Jean Fleischman von der Möglichkeit erzählt hat, durch eine Befragung Lilys einen Hinweis darauf zu bekommen, wo sie ihre Haarbürste verloren hat und mit wem sie zu diesem Zeitpunkt zusammen war, dachte Sam grimmig, während er zusah, wie Jean ihr Handy hervorholte.
Er wechselte einen Blick mit Alice und sah, dass sie seine Befürchtung teilte. Hatte wirklich Laura dieses Fax abgeschickt? Oder war es nur eine weitere bizarre Wende in diesem nicht enden wollenden Albtraum?
Es gab noch eine Möglichkeit, dachte Sam. Wenn Jean Recht hat, und Craig Michaelson hat tatsächlich mit der Adoption zu tun gehabt, dann wäre es möglich, dass Michaelson bereits mit Lilys Adoptiveltern Kontakt aufgenommen und über die fehlende Bürste gesprochen hat.
Falls die angebliche Nachricht von Laura nicht doch authentisch ist, war Lily für den unbekannten Absender der Faxe zu einer Gefahr geworden. Der Unbekannte konnte daran gedacht haben, dass die Haarbürste möglicherweise eine Spur war, die zu ihm führte.
Ich weigere mich zu glauben, dass die Faxe von Laura stammen, dachte Sam. Vorläufig jedenfalls. Jack Emerson hat in Dr. Connors’ Praxis in der Putzkolonne gearbeitet, er hat immer in dieser Stadt gelebt und könnte ohne weiteres mit
einem Ehepaar aus Cornwall befreundet sein, das Lily adoptiert hat.
Mark Fleischman mag vielleicht das Vertrauen von Jean gewonnen haben, aber deswegen bin ich noch lange nicht überzeugt. Irgendetwas schleppt dieser Kerl mit sich herum, was nichts damit zu tun hat, im Fernsehen aufzutreten und Familien mit Erziehungsproblemen kluge Ratschläge zu erteilen, dachte er.
Jean hinterließ Fleischman eine Nachricht. »Er ist nicht da«, sagte sie. Dann schnupperte sie und wandte sich lächelnd an Alice. »Irgendetwas riecht hier wunderbar. Ich glaube, wenn du es nicht tust, werde ich mich einfach selbst zum Essen einladen. O Gott, ich bin so glücklich. Ich bin so glücklich! «
59
MEIN IST DIE STUNDE DER NACHT, dachte die Eule, während er unruhig auf den Einbruch der Dunkelheit wartete. Es war leichtsinnig von ihm gewesen, bei Tageslicht in das Haus zurückzukehren – jemand hätte ihn sehen können. Aber ein unsicheres Gefühl hatte ihm keine Ruhe gelassen. Immer wieder war in seinen Gedanken die Befürchtung aufgetaucht, dass Robby Brent doch nicht tot war, dass er sich als guter Schauspieler nur tot gestellt hatte. Er hatte sich ausgemalt, wie Robby aus seinem Wagen kroch und sich bis auf die Straße schleppte – oder sogar in das obere Stockwerk, wo er Laura fand und den Notruf wählte.
Das Bild des lebenden und Hilfe holenden Robby war so übermächtig geworden, dass der Eule nichts anderes übrig geblieben war, als zurückzukehren und sich davon zu überzeugen, dass er wirklich tot war, dass seine Leiche sich immer noch da befand, wo er sie zurückgelassen hatte, im Kofferraum seines Wagens.
Fast war es so gewesen wie in jener Nacht in Lauras Haus, als er zum ersten Mal ein Leben ausgelöscht hatte, dachte die Eule. Aus dem Dunkel der Erinnerung tauchte das Bild auf, wie er lautlos die Treppe hochschlich und sich auf die Zimmertür zubewegte, hinter der er Laura vermutete. Das war vor zwanzig Jahren gewesen.
Gestern Abend, wissend, dass Robby Brent ihm gefolgt war, war es nicht weiter schwierig gewesen, ihn zu übertölpeln. Als es vorbei war, musste er in den Taschen des Toten nach dessen Schlüsselbund suchen, damit er das Auto in die Garage fahren konnte. Sein erster Mietwagen, der mit den verdreckten Reifen, nahm die eine Hälfte der Garage ein. Er fuhr Robby Brents Auto auf den zweiten Stellplatz und schleppte seine Leiche dann aus dem Treppenhaus, wo er ihn getötet hatte, zum Auto.
Irgendetwas hatte Robby Brent auf seine Spur gebracht. Irgendwie musste er es herausgefunden haben. Und die anderen? Schloss sich allmählich ein Kreis immer
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