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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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wie er sich zu ihr setzte. Dann gingen sie spazieren, und ich bin ihnen gefolgt. Als sie sich allein glaubten, hat er sie geküsst. Danach bin ich ihnen auf der Spur geblieben, Laura. Ach Gott, sie haben sich die größte Mühe gegeben, nicht als Paar gesehen zu werden. Sie sind nicht einmal zusammen tanzen gegangen. Damals, in jenem Frühjahr, habe ich Jean sehr genau beobachtet. Du hättest den Ausdruck auf ihrem Gesicht sehen sollen, wenn sie zusammen waren und niemand in der Nähe war. Sie strahlte ! Jean, die stille, nette Jean, von der ich geglaubt hatte, sie wäre eine Leidensgenossin von mir, wegen der Situation bei ihr zu Hause, meine Jean, meine Seelenfreundin – sie hatte ein geheimes Leben, von dem sie mich ausgeschlossen hatte.«
    Und ich habe geglaubt, er wäre in mich verliebt gewesen, dachte Laura. Und dass er mich hasst, weil ich mich über ihn lustig gemacht habe. Aber in Wirklichkeit liebte er Jeannie.

    Der ganze Horror dessen, was er ihr danach erzählt hatte, sickerte erst allmählich in ihr Bewusstsein durch.
    »Reed Thorntons Tod war kein Unfall, Laura«, hatte er gesagt. »Vor zwanzig Jahren, an diesem letzten Sonntag im Mai, bin ich kreuz und quer über das Gelände gefahren, immer auf der Suche nach ihnen. Der gut aussehende Reed mit den goldenen Haaren lief allein auf der Straße, die zum Picknickbereich führte. Vielleicht waren sie dort verabredet. Hatte ich die Absicht, ihn zu töten? Keine Frage. Er besaß alles, was ich nicht besaß – das Aussehen, die Herkunft und die viel versprechende Zukunft. Und Jeannies Liebe. Das war ungerecht. Das musst du doch zugeben, Laura! Das war ungerecht! «
    Sie hatte eine Antwort gestammelt und sich beeilt, ihm beizupflichten und seinen Zorn nicht zu erregen. Dann hatte er ihr ausführlich von der Frau erzählt, die er in der Nacht zuvor umgebracht hatte. Er hatte gesagt, er habe sich bei der Frau entschuldigt, doch wenn sie und Jean an die Reihe kämen, zu sterben, werde es keine Entschuldigungen geben.
    Er hatte gesagt, dass Meredith seine letzte Beute sein werde, dass mit ihr sein Bedürfnis gestillt sein werde – zumindest hoffe er das.
    Ich frage mich, wer Meredith ist, dachte Laura schläfrig. Sie sank in einen Schlaf, der angefüllt war mit Visionen von Eulen, die von den Bäumen auf sie herabglitten, schaurig rufend, und mit weich schlagenden Schwingen auf sie einflogen. Sie versuchte verzweifelt, vor ihnen wegzurennen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht, sie konnte sie nicht bewegen.

67
    JEAN, HILF MIR! BITTE, JEAN, HILF MIR! Lauras flehende Stimme, die Jean so deutlich gehört hatte, nachdem sie aus Craig Michaelsons Büro gerannt und in ihr Auto gestiegen war, spukte ständig in ihrem Kopf herum, als ob sie ein Echo auf die Zweifel wäre, die Alice in Bezug auf die Echtheit des Faxes geäußert hatte.
    Nachdem sie sich von Alice verabschiedet und den Hörer aufgelegt hatte, saß Jean noch lange am Schreibtisch, während Lauras Rufe in ihrem Kopf nachhallten. Sie versuchte, sich darüber klar zu werden, ob Sam und Alice Recht hatten. Vielleicht hatte sie diese Botschaft zu schnell als echt akzeptiert, weil sie sich so sehr wünschte, Lily in Sicherheit zu wissen.
    Schließlich stand sie auf, ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche, ließ sich das Wasser über Haare und Gesicht laufen. Sie seifte sich die Haare mit Shampoo ein und massierte ihre Kopfhaut, als könnte sie mit dem Druck ihrer Finger die Verwirrung in ihrem Kopf auflösen.
    Ich muss unbedingt einen langen Spaziergang machen, dachte sie, während sie sich in ihren Frottee-Morgenmantel hüllte und den Föhn einschaltete. Das ist die einzige Möglichkeit, wie ich wieder auf klare Gedanken kommen kann. Als sie ihre Sachen für das Wochenende gepackt hatte, hatte sie spontan ihren roten Lieblingsjogginganzug in den Koffer
gelegt. Jetzt freute sie sich, ihn aus dem Schrank holen zu können. Doch sie dachte gleichzeitig daran, wie kalt die Luft gewesen war, die zum offenen Fenster hereinströmte, und zog vorsichtshalber ein Sweatshirt unter die Jacke an.
    Als sie ihre Armbanduhr anlegte, bemerkte sie, dass es Viertel nach zehn war und sie noch keinen Kaffee getrunken hatte. Kein Wunder, dass mein Hirn nicht richtig funktioniert, dachte sie. Ich werde mir einen Becher zum Mitnehmen aus dem Kaffeeraum holen und ihn beim Gehen trinken. Hungrig bin ich nicht, und in diesem Zimmer fällt mir die Decke auf den Kopf.
    Als sie den Reißverschluss der Jacke hochzog, kam ihr ein

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