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Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Sache verhandelt und die Klägerin sei ausdrücklich zur Vernehmung geladen worden. Die Vorsitzende Hydra bleibt kühl, in den Schriftsätzen sei alles ausgeführt und werde von der Kammer mit der nötigen Gründlichkeit gewürdigt werden. Ab mit euch, nach Hause! Und in zwei Stunden ist das Urteil gebacken: Die Klage wird abgewiesen.
    Die Herren Richter wollen sich beim Widerstand gegen den Nationalsozialismus besser auskennen als Robert und Anneliese und alle Experten: Es sei nicht ersichtlich, wie eine Mitgliedschaft der Ehefrau eines Widerstandskämpfers in der NS-Frauen-schaft den Kampf ihres Ehemannes tarnen soll. Drei Seiten lang spekuliert die Hydra herum und hält ihr vor: Die Klägerin hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß erlauben, daß sie selbst den Nationalsozialismus unter Einsatz von Freiheit, Leib oder Leben bekämpft hat. Außerdem wird sie in sieben Zeilen wieder zur Kommunistin und Bekämpferin der freiheitlich-demokratischen Grundordnung degradiert, wie üblich Im Namen des Volkes.

Ein Rentner mit Dackel in Schleswig
    Als ich in den Aktenordnern bis zu diesem Urteil vorgedrungen war, fiel der gut gemeinte Vorsatz, der Gewalt zu entsagen, von einer Minute auf die andere zusammen.
    Wenn Berliner Richter nach zehn, nach zwanzig Jahren Demokratie immer noch nicht unterscheiden können, wer Nazi war und wer nicht, wenn sie den Mörder freisprechen und sein Opfer verurteilen, dann muss einer den Unterschied klar machen auf möglichst spektakuläre Weise. Dann muss mit dem Finger auf den wahren Täter gezeigt werden, und wenn der Finger eine Pistole ist. So schossen die Mordpläne wieder hervor. Soll ich nur aus Angst vor der möglichen Kritik der Groscurths oder aus Angst vor der Presse, die mich vielleicht als Trittbrettfahrer verlacht, auf die Tat, auf diese Klarstellung verzichten?
    Catherine war schon in London, als ich mit solchen Überlegungen nach Schleswig fuhr, wir hatten keinen Kompromiss gefunden. Ich erteilte mir den alten Auftrag neu: das Opfer jetzt zu observieren und dann die Pläne zu präzisieren. Mit seltener Sturheit wollte ich mir beweisen, dass ich nicht wie ein typischer Intellektueller das Handeln aufschiebe und vor den konkreten Schritten zur Tat mich drücke.
    Ich erinnere mich an ein billiges Hotel in der Nähe des Bahnhofs, aus irgendeinem lächerlichen Grund habe ich noch den Zimmerpreis im Kopf, fünfundzwanzig Mark. Ein Blick ins Telefonbuch genügte, da stand die gesuchte Adresse. In der Abenddämmerung schlenderte ich, als Spaziergänger getarnt, durch das Villenviertel, wo angeblich viele Juristen wohnten. R.s Haus war bald gefunden, im Vorbeigehen registrierte ich: halbhohe Hecke, Rosen im Vorgarten, geräumiger Bau der Jahrhundertwende, Reetdach, hinter drei Fenstern Licht.
    Die Kalkulation war einfach: Ein Richter im Ruhestand hat seine festen Gewohnheiten. Wenn Catherine dabei gewesen wäre, hätte ich gewettet - und gewonnen: Der frühstückt um halb acht und geht eine halbe Stunde später spazieren, der isst um halb eins Mittag und macht danach seine zweite Runde, der kriegt sein Abendessen um sieben und erledigt davor oder danach vielleicht noch einen Abendgang.
    Gegen halb acht am Morgen war ich auf dem Posten, im Auto vor einer Zahnarztpraxis sitzend, in der Lokalzeitung blätternd, gut hundert Meter von R.s Haus entfernt. Heute könnte man das nicht mehr machen, in einem Villenviertel im Auto hocken, mit Berliner Kennzeichen, mehrmals in zwei Tagen. Man wäre sofort observiert und verdächtigt von Anwohnern und der Polizei. In den unschuldigen Zeiten vor den Terrorjahren, noch dazu in ländlicher Gegend und vor einer Zahnarztpraxis, war von den Nachbarn nicht viel zu fürchten.
    Um fünf vor acht trat der kleine Mann, den ich von Pressefotos kannte, mit grauem Mantel und grauem Hut auf den Bürgersteig, einen Langhaardackel an der Leine, schaute kurz nach rechts in meine Richtung und wandte sich dann nach links. Ich folgte ihm nicht, wollte nicht auffallen. Den Vormittag verbrachte ich bei den Schleswiger Attraktionen, Moorleichen und Wikingern. Mittags, wieder im Villenviertel, parkte ich das Auto in einer entfernteren Straße und spielte den Spaziergänger.
    Um halb zwei vor seiner Gartenpforte lief R. mir fast in die Arme, zwei, drei Meter war die Distanz, links die Frau, rechts der Dackel, ich ging festen Schritts weiter. Ein kränkliches, verschrecktes Gesicht. Abends, ich hatte inzwischen die Schlei und noch einmal die Wikinger

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