Mein Jahr als Mörder
Eindruck nicht streng genug gewesen zu sein, nicht härter nein gesagt zu haben: Lasst die Finger von Hatschek! Er sieht die Ärztin Romanowa und den guten Zadkiewicz wieder, die Verbindungsleute zu den russischen Zwangsarbeitern. Die Gestapo scheint nicht zu wissen, dass die Männer der E. U. sie manchmal vor Razzien warnen konnten. Er sieht den kleinen Richter wieder, der sich abmüht, so scharf wie Freisler zu brüllen. Je mehr sie keifen, desto näher ihr Ende.
Der Scharfrichter Röttger gräbt seinen Garten um, Georg arbeitet am Thema Eisenbehandlung und Progynon.
Der Pharma-Fabrikant Grüter, für den Groscurth seit zehn Jahren arbeitet und mit dem er das Euphyllin weiter entwickelt hat, kämpft Tag für Tag um die Aufschiebung der Vollstreckung. Er spricht mit den Reichsanwälten beim Volksgerichtshof und den Oberstaatsanwälten im Justizministerium und preist den hervorragenden Forscher, der dank seiner Beherrschung der Physiologie, Chemie und Physik ganz neuartige Probleme zu stellen und zu lösen versteht. Elf kriegswichtige Projekte könne er in Angriff nehmen oder habe sie bereits in Arbeit, zur besseren Behandlung von Anämie, Flecktyphus, Pneumonie, Kohlendioxydvergiftung und Kreislaufstörungen. Groscurth werde weitere Aufklärung über den Erfrierungstod, Streckungsmittel für Coffein, blutbildende Eisenpräparate liefern können. Er forsche an einem Verfahren, mit einfachen Mitteln an einem Blutstropfen die Wirkung und den Vergiftungsgrad von Kampfgasen festzustellen.
Grüter erreicht, dass er seinen Partner besuchen darf.
Der Führer aber will Leichen sehen, der Führer will harte Beamte hinter sich wissen. Seine Komplizen handeln, denn der Führer hat bald Geburtstag und will beschenkt werden. Nach den Daumen der Herren Altmeyer, Dr. Barnickel, Cramer, Dr. Franzki, Jaager, Theyssen, Wellmann entscheidet der Reichsminister der Justiz Dr. Thierack. Die Daumen über Havemann dürfen noch ein wenig hin und her gedreht werden, er bekommt sechs Wochen Frist. Seine Pharmakologenfreunde haben einen Draht bis zum Oberstarzt im Heereswaffenamt, ja bis zu Generalfeldmarschall Keitel, und Generäle darf man in diesen harten Zeiten nicht verärgern.
Der Führer will Köpfe rollen sehen, sein Geburtstag steht an, also ordnet Thierack am 18. April 1944 mit Ermächtigung des Führers die Vollstreckung des Urteils gegen Groscurth, Rentsch und Richter an. Die Beamten sind erleichtert, die Akten mit den lästigen Gnadengesuchen kommen bald in die Ablage.
Am 21. April ersucht das Justizministerium den Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof, mit größter Beschleunigung das Weitere zu veranlassen. Die Vornahme der Hinrichtungen ist dem Scharfrichter Röttger zu übertragen. Bei der Überlassung der Leichname an ein Institut gemäß Ziff. 39 der Rundverfügung vom 19. Februar 1939 ist das Anatomische Institut der Universität in Berlin zu berücksichtigen. Von einer Bekanntmachung in der Presse und durch Anschlag bitte ich abzusehen.
Am 21. April wird Georg Groscurth von der Einzelzelle in die Tbc-Baracke verlegt, um dort wissenschaftliche Versuche durchzuführen.
Am 27. April setzt der Oberreichsanwalt beim VGH Tag und Uhrzeit der Hinrichtung fest, 8. Mai, ab 15 Uhr. Dem Verurteilten ist der Termin ab 13 Uhr 30 zu eröffnen. Staatsanwalt Kurth wird zum Leiter der Vollstreckung bestellt. Hinrichtungen finden in Brandenburg immer montags statt.
Am 28. April plädiert Anwalt Hendler für die Kriegswichtigkeit der von Grüter genannten Arbeiten.
Am 28. April erläutert der Fabrikant Grüter den zuständigen Behörden drei weitere kriegswichtige Projekte: die Gasmaskenstudie, eine Arbeit zur Blutgerinnung und ein neues Verfahren zur Messung von roten Blutkörperchen.
Am 29. April lässt Anwalt Hendler die Untersuchung Die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei der Arbeit unter der Gasmaske mit der Maschine abschreiben und schickt ein Exemplar an den Oberreichsanwalt.
Am 1. Mai schreibt Grüter den Behörden, auch der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Medizinische Forschung und Präsident der Chemischen Gesellschaft, Professor Kuhn, halte Groscurths Arbeiten für sehr kriegswichtig und werde dies in Kürze in mehreren Gutachten begründen.
Am 2. Mai erhält der Scharfrichter Röttger den Auftrag, die Verurteilten mit dem Fallbeil hinzurichten.
Am 2. Mai spricht Grüter mit Professor Lang von der Militärärztlichen Akademie, der die Kriegswichtigkeit von Groscurths Arbeiten bestätigt,
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