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Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einen Haufen glücklicher Gesichter zu sehen. Ein alter Schimpanse erinnerte mich an den geduckten, alten Richter R. Könnte ich einen Affen töten? Ich bildete mir ein, mit R. sei es leichter.
    Die Frage tauchte immer wieder auf, ob ich es schaffen würde, ihn umzubringen. Ich setzte mich auf eine Bank und sah den Sprüngen der Affen zu. Das Töten blieb tabu, die Ausnahme musste sein. Gollwitzer hatte nach der Steineschlacht am Tegeler Weg gesagt: Nur für Faschisten ist Gewalt kein Problem, ein Sozialist muss sich über die Funktion von Gewalt immer Rechenschaft ablegen, jede Gewalt gegen Personen ist inhuman. Also legte ich mir Rechenschaft ab, stimmte Gollwitzer bei und redete mir ein: Du willst ja nur Vergeltung üben, ein Urteil vollstrecken und nicht den Sozialismus voranbringen, sondern den Faschismus begraben. Auch Judith durfte Holofernes umbringen.
    Um die Angst vor der eigenen Tat nicht aufkommen zu lassen, dachte ich mir das Töten einfach. Wenn es so weit ist, dann wirst du, kurz bevor das Groscurth-Buch fertig ist, mit 500 Mark in der Tasche in den Blauen Stern am Stuttgarter Platz gehen, eine Pistole und Munition kaufen, vorher wirst du dich über solche Geschäfte kundig gemacht haben. Dann losfahren, in der Lüneburger Heide kurz üben und weiter nach Schleswig, dem Mörder auflauern und ihn am besten aus dem Auto heraus erschießen. Ein Schuss wird schon treffen.
    Die Skrupel, die mich nicht nur im Affenhaus anfielen, lernte ich allmählich zu besänftigen. Du musst nicht auf Kopf oder Herz zielen, sagte ich mir. Wenn du ihn nur verletzt, ist das keine Katastrophe, du musst ihn ja nicht töten, ein gelungener Mordversuch ist ebenso des Schweißes der Edlen wert. Weniger Angst vor später Reue, vor künftigen Selbstanklagen als Mörder, mildere Strafe vor Gericht. Sei auf beides, sei auf alles eingestellt, plane nicht zu viel.
    Das einzige Problem war der Transport der Pistole auf den Transitwegen durch die DDR. Die strengsten Grenzer der Welt mit der penetranten Frage: Waffen, Munition, Funkgeräte? Sie durften jederzeit das Auto durchsuchen, das Gepäck kontrollieren, das war nicht die Regel, kam aber häufig vor. Ich überlegte, die Pistole in einem Koffer mit Büchern zu verstecken, obwohl gerade Bücher anrüchig waren, sie hatten mich mehrmals mit dem Durchschnüffeln eines Buchkoffers aufgehalten. Vielleicht wäre ein Sack voll schmutziger Wäsche besser, die Pistole zwischen den Socken. Oder in einem Mantel am Körper. Das würde sich finden. Ein bisschen Kribbeln, dachte ich kühn, gehört dazu, grüßte die Elefanten und schritt zum Ausgang.
    Eins wollte ich auf keinen Fall: so feige sein wie Stauffen-berg. Einen Mord als notwendig erkannt, viel zu spät, aber immerhin, Minuten vor der totalen Niederlage, um noch zu retten, was längst nicht mehr zu retten war, viel zu spät, aber mutig, gewiss, dann alles perfekt geplant, die richtige Gelegenheit genutzt, die Aktentasche mit dem Sprengstoff neben den Chef aller Mörderbanden gestellt- und endlich, statt sich zu opfern für die Rettung von Millionen und sicherzugehen bis zuletzt, tritt er den Rückzug an und rettet sich, für ein paar Stunden. Nein, so verbohrt war ich nicht, mich mit Stauffenberg zu vergleichen und den Richter R. mit seinem obersten Chef, ich meinte nur, dass Stauffenberg seinen großen Mut mit noch größerer Feigheit verraten hat. Für eine solche Tat muss man Opfer bringen, darf sich selbst nicht schonen, sonst ist sie nichts wert.
    In jenen Wochen speicherte ich den Gedanken: der perfekte Mord? Wenn der Täter mit gutem Gewissen zu seinem Mord steht.
Revision wird nicht zugelassen
    Es muss noch Richter geben in Berlin. Augustin, Engelhardt, Galschke, Grossklaks vom Arbeitsgericht, Küster, Schilling, Schmidt vom Landesarbeitsgericht, Berthold vom Amtsgericht, Biedermann, Clauß, Klamroth, Preuß, Schäfer vom Verwaltungsgericht, Peters, Plümke, v. Stein, Zweigert vom Oberverwaltungsgericht, Pakuscher, Riechers, Waldeck, Zühlsdorf vom Landgericht, 21 Richter von sechs Gerichten haben in neun Jahren gegen Frau Dr. Groscurth entschieden. Nur die Herren von der Strafkammer des Landgerichts haben sich von Fakten und nicht von Vorurteilen leiten lassen. Es gibt also Richter in Berlin.
    Sie kann es nicht auf sich sitzen lassen, als Nazi diffamiert zu werden. Auch nicht, als Kommunistin und Bekämpferin der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, nur weil sie ein paar Sätze gegen Nazis und Kriege gesagt hat. Schon gar

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