Mein Jakobsweg
sphärische Musik schwebt durch alle Räume. Vom Herbergsvater und einem jungen Mann aus Deutschland werden wir liebevoll versorgt.
Pilger, die erst gegen Abend ankommen, schlafen auf den Bänken im Aufenthaltsraum und oben auf dem Fußboden im Flur. Zwei bereiten sich ihr Lager sogar auf dem Balkon.
Vor dem Schlafengehen mache ich noch einen Spaziergang durch den Ort. Ohne den Kirchturm - wie immer mit Storchennest - hätte ich die kleine, bescheidene Kirche gar nicht als solche erkannt. Geduckt steht sie zwischen den Häusern. Sie sollte unbedingt renoviert werden. Es wäre sehr bedauerlich, wenn dieses Kleinod aus Backstein noch ganz verfallen würde.
Ich aber hätte in der Herberge bleiben sollen, denn ich bin so furchtbar schlapp. Jetzt spüre ich in der Lunge bereits den Husten. Vielleicht brüte ich nun diese Grippeviren aus. Ausgerechnet Hustensaft habe ich von zu Hause nicht mitgenommen, und in El Burgo Ranero gibt es leider auch keine Apotheke. Aber schon nach einer Benuron-Tablette ist die Temperatur wieder normal: Ich muss mir keine weiteren Sorgen machen.
Von El Burgo Ranero nach León
In der Kathedrale zu León
ruhte ich, müde vom Pilgern.
Einem Blumengarten gleich,
leuchtend bunte Fenster, so hoch,
als wollten sie den Himmel berühren.
Und mir ward hell und licht.
Aus dem Pilgerbuch der Herberge
E igentlich wäre ich von El Burgo Ranero bis Mansilla de las Mulas gegangen. Mein Plan sah vor, ab da nach León mit dem Bus zu fahren. Das schlägt auch mein Pilgerbuch vor, um nicht mit den vielen Schnellstraßen und Autobahnen vor León konfrontiert zu sein. Aber da ich mit meinen Kräften haushalten muss und kein Risiko eingehen darf, schließe ich mich Britta an, die sowieso bis León mit dem Bus gefahren wäre.
Auf dem Weg vom Busbahnhof ins Stadtzentrum von León überqueren wir wieder einen breiten Fluss, den Bernesga. Auf unserem Weg liegt auch das ehemalige Kloster San Marco, das heute ein Luxushotel beherbergt. Später mündet diese Straße in eine breite Fußgängerzone, die uns direkt bis zur Kathedrale führt.
Sie übertrifft alle Erwartungen. Keine gelesene Beschreibung kann ihr gerecht werden. Man muss davorstehen und hineingehen. Durch viele hohe, bunte Bleiglasfenster flutet Licht in die Kathedrale. Der strahlende Sonnenschein erleuchtet all diese wundervollen Farben, heute wohl noch intensiver als an anderen Tagen. In der Schönheit dieses Raumes kristallisiert der Augenblick zu einer stillen Ewigkeit, und wie so oft auf dem Camino - meist in der freien Natur - entrückt sich mir die Zeit und wandelt sich in Unendlichkeit. Dann aber treffen wir andere Pilger und gehen gemeinsam hinaus.
Britta will sich wieder ein Zimmer nehmen und zwei Tage bleiben. So trennen wir uns. Ich gehe zur Herberge und habe Mühe, mich in den schmalen Gassen mit ihren alten und oft auch recht baufälligen Häusern zurechtzufinden. Sie sehen alle so gleich aus, es gibt keinen markanten Punkt, zudem ist die Kennzeichnung sehr schlecht. Doch plötzlich gelange ich auf einen Marktplatz, den prächtige Häuser und Arkaden umrahmen.
Das ist der erste Markt, den ich auf dem Camino sehe. Weil ich gern über Märkte gehe, bleibe ich noch etwas, stille meine Neugier und schaue den Menschen zu. Die spanischen Märkte sind ja viel lebhafter und bunter als die unsrigen. Hier wird gefeilscht und gehandelt, und es gibt beinahe alles für den täglichen Bedarf zu kaufen.
Ich bewundere eine ältere Dame, die in aller Öffentlichkeit mit einem Händler an einem Wäschestand über die Qualität von Büstenhaltern diskutiert. An einem Käsestand warten die Menschen geduldig in langer Reihe. Vielleicht ist der Käse dort preiswerter als woanders? Ich stelle mich dazu. Dann steigt mir der Duft von Oliven in die Nase. Prompt meldet sich mein Magen. Welche nehme ich denn, frage ich mich bei diesem großen Angebot unterschiedlichster Sorten. Sie werden aus großen Schüsseln in kleine Behältnisse geschöpft und sehen alle gut aus. Ich entscheide mich für grüne, eingelegt mit Käse. Mit dem frischen Brot, auch hier vom Markt, schmecken die Oliven ganz besonders gut. Sie bieten auch mal eine Abwechslung in meinem inzwischen sehr eintönig gewordenen Speiseplan aus Brot, Fisch und Salami.
In einer historischen Apotheke - 15. oder 16. Jahrhundert, steht irgendwo - kaufe ich mir auch noch den benötigten Hustensaft.
Frisch gestärkt finde ich nun endlich auch den Eingang zur Herberge. Dabei stelle ich fest,
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