Mein Jakobsweg
Morgenschein, beglückender Tag; zum Abend der Wein.
Gelesen in einem Café auf dem Camino
W eil Britta sich mal wieder richtig ausschlafen will, sind wir erst für acht Uhr in einem Café verabredet. Als ich dort ankomme, bestellt sie gerade ihr Frühstück. Na, das kann ja noch dauern! Ich bin richtig verärgert. Du musst doch sicher auch noch frühstücken, sagt Britta und schiebt mir einen Stuhl hin. Aber ich will mich nicht setzen. Schließlich dachte ich, wir gingen gleich los. Stattdessen gehe ich nun rüber zur Telefonzelle. Jetzt wird Peter ja wohl zu Hause sein. Und er ist auch sofort am Telefon.
Hallo, Peter, ich bin’s, mir geht’s gut, sage ich in einem Atemzug.
Endlich rufst du an, wir haben uns schon solche Sorgen gemacht! Er wirkt sehr erleichtert.
Ich habe es so oft versucht, du warst nie zu Hause, verteidige ich mich. Und du machst dir unnötig Sorgen, Peter, ich habe dir doch gesagt, mir passiert nichts.
Aber du hast eine Woche nicht angerufen, und Andreas - unser Sohn —, hat auch gesagt: Ohne Handy hätte ich sie nicht gehen lassen.
Eine Woche bin ich schon unterwegs? Das kann nicht sein!
Doch, erwidert Peter, rechne mal nach, gestern ist schon deine erste Karte angekommen.
Dann ist er überrascht, weil ich schon so weit bin, und macht ein Kreuzchen in seiner Landkarte. Ich verspreche, bald wieder anzurufen. Glücklich kehre ich zu Britta zurück. Sie sagt: Dass du aber auch kein Handy hast!
Als wir nun endlich durch den Torbogen die Stadt hinter uns lassen und wieder auf einer dieser liebenswerten Steinbrücken den Fluss Cea überqueren, ist es schon neun Uhr. Das ist nun wirklich zu spät! Für kurze Zeit bin ich richtig schlecht gelaunt.
Wir entscheiden uns für die in meinem Buch vorgeschlagene alte Römerstraße: ein ebener Weg, nur hin und wieder steht mal ein Baum und spendet uns etwas Schatten. Die Landschaft ist sehr ausgetrocknet, aber dennoch reizvoll. Manchmal sehen wir auch noch die Reste der Bewässerungsanlage aus Ziegelsteinen, die noch aus der Römerzeit stammt.
Mit Britta zu pilgern ist wirklich nicht einfach. Zwar geht sie so langsam wie ich, aber alle paar Kilometer muss sie zudem noch rasten. So kommen wir kaum voran. Wieder sagt sie, ich muss den schweren Rucksack abnehmen, setzt sich ins Gras und hätte am liebsten ein Taxi. Als ob hier in der einsamen Landschaft ein Taxi vorbeikäme.
Dein Rucksack ist auch viel zu schwer, was schleppst du denn da alles mit dir rum?
Das, was ich brauche, sagt sie und zieht ein dickes Buch von Stephen King heraus.
Was willst du mit so einem schweren Buch auf dem Jakobsweg?
Lesen, und sie sucht ihre Seite.
Na, da musst du den Camino aber noch verlängern, denn bis jetzt hast du doch höchstens 100 Seiten gelesen.
Stimmt, ich komme ja nicht dazu.
Ihr Alter verrät sie mir nicht. Vielleicht ist sie ein paar Jahre jünger als ich, aber bestimmt auch um die 60.
Wie viele Kilometer wir gegangen sind und wie weit El Burgo Ranero noch entfernt ist, kann ich bei dieser Trödelei nicht mehr abschätzen. Nur eines ist sicher: Wenn wir so weitergehen, sind wir heute Abend noch nicht da. Doch plötzlich erscheinen abseits von unserem Weg ein paar Häuser.
Endlich Land in Sicht, sagt sie, da gehen wir jetzt hin.
Das ist die andere Richtung; wir machen einen Umweg! So langsam verzweifle ich.
Lass mich nur machen, ich hab noch immer ein Taxi gefunden. Forsch bahnt sie sich ihren Weg über ein Feld in Richtung der Landstraße zu den Häusern. Mir ist schon alles egal, ich tappe einfach hinterher.
Gleich das erste Haus rechts sieht wie ein Gartenlokal aus. Die Gartentür ist offen, auch die Haustür, aber es scheint niemand da zu sein. Stühle unter einem Schirm laden zum Sitzen ein. Ich packe mein Essen aus. Irgendwann erscheint eine junge Frau, entschuldigt sich, weil sie so lange weg gewesen sei, kocht den von Britta heiß ersehnten Kaffee und bestellt ein Taxi. Kurz darauf hält vor dem Haus ein privates Auto. Der Fahrer bringt uns nach El Burgo Ranero, wir zahlen fünf Euro und sind da.
Die Herberge, in alter Tradition aus Lehm und Fachwerk gebaut, hat einen gemütlichen Aufenthaltsraum und nur acht Betten in jedem Zimmer. In der geräumigen Küche steht sogar eine Waschmaschine. Wir beeilen uns mit dem Duschen, legen unsere Wäsche zusammen, und all das, was wir im Moment nicht anhaben, kommt in die Waschmaschine. Ich gebe Waschpulver dazu, und schon eine Stunde später flattert unsere Wäsche im Wind. Eine leise
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