Mein Jakobsweg
Jeans darüber müsste ich doch nun wirklich ausreichend geschützt sein!
Vorsorglich reibe ich die Stelle mit der Salbe gegen Nesselsucht ein. Hoffentlich geht alles gut - nicht wie im letzten Sommer, als mein rechtes Bein nach einem Insektenbiss rot entzündet und stark geschwollen war. Damals hatte mir der Arzt sogar wegen des hohen Fiebers Antibiotika verschrieben.
Meine Straße driftet jetzt mehr und mehr nach links ab, während sich die Pilger immer weiter nach rechts von mir entfernen, bis sie über eine Bergkuppe hinweg ganz verschwinden. Und weil ich nicht weiß, ob die Straße jetzt nicht doch einen großen Umweg macht, gehe ich über Feldwege zum eigentlichen Camino zurück. Schon nach kurzer Zeit schmerzt das linke Bein. Ich lockere das Schuhband etwas und reibe die Stelle noch mal ein.
Bei einer wunderbaren Aussicht in das Tal und auf die Berge genießen viele Pilger hier ihre Mittagsrast. Aber ich kann mir jetzt keine längere Pause mehr erlauben. Der Weg ist immer noch sehr schwierig. Manchmal fällt er steil ab, lose Steine kullern unter meinen Füßen weg. Immerhin müsste ich auch bald da sein, tröste ich mich, denn von O Cebreiro bis Triacastela sind es ja nur 20 Kilometer.
Nach der letzten steil abfallenden Böschung verläuft der Weg dann auch bald recht eben und führt im Schatten von Bäumen an einem Hang entlang. Nach links öffnet sich das breite, grüne Tal; es ist ganz herrlich anzusehen. Schon von Weitem erkenne ich inmitten einer großen Wiese die Herberge. Ich habe es geschafft, jubiliere ich, gleich bin ich da! Mit jedem Schritt kann ich sehen, wie mein Ziel näher rückt - doch gerade als ich in den Weg zur Herberge einbiegen will, kommt mir das holländische Paar von dort entgegen.
Die ist schon voll, sagen sie zu mir, da brauchst du nicht mehr hin.
Unvermittelt treten mir Tränen der Erschöpfung in die Augen. Die beiden wollen sich eine Pension suchen; ich folge den Schildern zu einer privaten Herberge. Doch ehe sich dort die Tür für mich öffnet, muss ich noch durch den ganzen Ort.
Zwei Männer — Dänen, wie ich später erfahre — leiten diese albergue. Es sind sanfte und sehr liebevolle Menschen. Ihr herzlicher Empfang bietet mir für diese Nacht Geborgenheit. Hilfsbereit nimmt mir der Jüngere den Rucksack von den Schultern und trägt ihn die Treppe hoch. Stufe für Stufe, das linke Bein schmerzt furchtbar, folge ich ihm und erhalte mal wieder ein oberes Bett.
Gern würde ich mich sofort hinlegen, aber wie ich es auch anstelle, ich komme da nicht hinauf. Schließlich nehme ich mein Waschzeug und frage nach den Duschen. Wenn ich mit ihm nach unten ginge, sagt der junge Mann, würde er mir das private Bad aufschließen. Ich könne dort so lange baden, wie ich wolle, und auch von innen abschließen.
Die Freude über die Badewanne in einem Raum für mich ganz allein weicht dem Schrecken, als ich mein linkes Bein betrachte. Fassungslos sehe ich auf den dick geschwollenen Unterschenkel. Was mich noch viel mehr beunruhigt als die Schwellung: Bis hoch über das Knie breiten sich große, runde, gerötete Flecken aus. Ich sollte das Bein nun wirklich nicht auch noch überhitzen.
Aber dem Wunsch, mich ins warme Wasser zu setzen, kann ich nicht widerstehen. Das Bein brause ich anschließend mit kaltem Wasser ab. Schnell wasche ich auch noch meine getragenen Sachen, reinige die Wanne und den Boden und gebe dankend den Schlüssel ab.
Das private Bad war wirklich ein sehr großes Entgegenkommen, und inzwischen habe ich sogar ein unteres Bett in einem anderen Schlafraum zugeteilt bekommen. Als Erstes breite ich alle verfügbaren Medikamente vor mir aus. Die Temperatur ist nur leicht über 38. Das ist schon mal sehr beruhigend. Ich nehme eine Benuron und ein Antibiotikum, dazu eine Tablette, die ich lange gegen Nesselsucht eingenommen habe. Zusätzlich reibe ich das Bein bis über das Knie mit Voltaren ein. Ich weiß, auch Salben belasten den Körper, und vielleicht ist alles zusammen denn doch ein bisschen zu viel des Guten. Aber ehe ich meine momentane Situation noch weiter überdenken kann, bin ich auch schon eingeschlafen.
Im Großen und Ganzen ist es in dem Haus sehr ruhig. Ich werde nur manchmal halb wach, wenn neue Pilger kommen. Am Abend esse ich ein Stück trockenes Brot und trinke Wasser dazu, mehr habe ich nicht. Dann nehme ich wieder ein Antibiotikum und in meiner Not eine Allergietablette - sie ist so stark, dass ich sie nur einmal nehmen darf - und schlafe auch
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