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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Sauer
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gleich weiter.
    Spät in der Nacht kommen noch zwei Radfahrer. Der eine erhält ein Notbett in unserem Zimmer, immerhin ein richtiges Gästebett, der andere schläft auf dem Flur.
     

Triacastela
     
     
    Alle Möglichkeiten des Lebens,
    alle Straßen,
    haben mich hierhergeführt.
    Richard Brautigan
     
    I ch muss sehr lange geschlafen haben, denn die Pilger sind schon auf und mit dem üblichen morgendlichen Packen beschäftigt. Ich bleibe liegen und beobachte das Geschehen um mich herum. Binnen 30 Minuten sind alle fort.
    Ich fühle mich gar nicht gut und möchte am liebsten gleich weiterschlafen. Aber wenigstens sollte ich mich etwas waschen und die Zähne putzen. Das tue ich dann auch. In meinem Rucksack finde ich noch einen leicht angedötschten Apfel. Nicht besonders appetitlich - aber egal, ich muss ja wenigstens etwas im Magen haben, ehe ich das Antibiotikum wieder nehme. Temperatur habe ich keine mehr, und das Bein ist nur noch leicht geschwollen. Am wichtigsten jedoch: Die roten Flecken sind völlig verschwunden!
    Einigermaßen beruhigt rolle ich mich wieder in meinen Schlafsack und werde erst wach, als der Jüngere das Zimmer reinigen will. Sie sind ja noch da, sagt er überrascht und fragt, ob ich krank sei und ob er einen Arzt rufen solle. Über den Pilgerpass sei ich ja auch versichert.
    Ich bin nicht wirklich krank, antworte ich, aber ich möchte das Bein heute noch schonen und bitte ihn, noch eine Nacht bleiben zu dürfen. Er willigt ein. Im Übrigen sei er den ganzen Tag im Haus, falls ich doch noch Hilfe bräuchte.
    Nun bin ich wieder mit mir allein und überlege, ob ich aufgeben oder weitergehen soll. Ach, morgen früh werde ich ja sehen, wie sehr der Fuß noch schmerzt. Also verschiebe ich das Grübeln auf morgen und schaue mich in dem Zimmer um, in dem nichts weiter als leere Betten stehen. Weiß lackiert, sehen sie aus wie in einem Krankenhaus. Und plötzlich überkommt mich ein tiefes Gefühl der Einsamkeit. Als wäre gerade wieder jemand, an den man sich gewöhnt hatte, entlassen worden und ich müsste noch bleiben, weil meine Behandlung noch nicht abgeschlossen ist. Manchmal allerdings wurde auch ein Bett hastig hinausgeschoben, damit wir, die wir noch hofften, das Sterben nicht miterleben mussten.
     

Mein Kampf mit der Krankheit
     
    Unversehens bin ich in den Sog meiner Erinnerungen geraten. Ich sehe mich zu Hause in meinem goldenen Bett. Von einem goldenen Bett hatte ich schon als kleines Mädchen geträumt. Als ich es später, ich war schon verheiratet, in einem Schaufenster sah, ging ich hinein und erfüllte mir diesen Traum von einem goldenen Ehebett. Auch nach so vielen Jahren haben diese wundervoll geschwungenen Rosetten aus echt vergoldetem Messing nicht eine Spur ihres Glanzes verloren.
    In diesem Bett, auf das ich so stolz war, lag ich nun schon viele Tage und konnte ohne Peters Hilfe noch nicht mal mehr ins Bad gehen. Es ist schon wieder eine Woche um, sagte er eines Nachmittags verzweifelt, was soll ich nur tun, irgend etwas muss jetzt geschehen. Ohne jede Hoffnung sagte ich zu Peter: Am besten gar nichts. Ich bleibe hier so lange im Bett liegen, bis ich tot bin.
    Diese Worte brachen den Bann, der sich in den Wochen meiner Krankheit über uns gelegt hatte. Voll verzweifelter Wut lief Peter sofort zum Telefon und wählte das Krankenhaus. Dem diensthabenden Arzt sagte er - nein, er schrie ins Telefon, er könne sich das jetzt nicht mehr mit ansehen: Die Milz muss raus! Er bringe jetzt seine Frau, und der Arzt solle sich ja nicht einfallen lassen, sie nicht aufzunehmen.
    Mit dem Epstein-Barr-Virus, den sie schon im Juni diagnostiziert hatten, haben sie mich hingehalten und mich bei den Untersuchungen immer wieder vertröstet. Sie sagten, das Virus werde wieder abklingen und die Milz sich zurückbilden. Mit der Diagnose eines Lymphoms im Hintergrund, damals noch ohne Befall des Knochenmarks, wollte ich mich sowieso nicht abfinden, da war mir der Epstein-Barr-Virus viel angenehmer.
    Jetzt und hier in Triacastela liege ich wieder krank im Bett. Diesmal ist es nur ein Bett aus schlichtem Metall. Aber in den vergangenen zwei Wochen habe ich die Gewissheit gewonnen, dass ich mich auf meinen Körper verlassen kann. Das wirft viele Fragen auf, die nun auf mich einstürzen: Weshalb habe ich mich damals so lange treiben lassen? Warum haben wir uns nicht besser informiert? Wie konnte ich nur mein Schicksal widerstandslos in fremde Hände legen? Welche Alternative wäre denkbar gewesen? Was

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