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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Sauer
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Gewässers mischt sich mit dem Gesang der Vögel. Ich bin wieder ich selbst, unaperegrina auf dem Camino nach Santiago de Compostela.
    Buen Camino! Pilger kommen ins Haus, andere gehen weiter. Vielleicht wollen sie noch bis Samos, zu dem Kloster, das auch meine nächste Station sein sollte. Aber Samos liegt etwas abseits, und in diesem Jahr sind so viele Pilger unterwegs, dass die Betten dort oben schon belegt sein könnten. Dann wüsste ich nicht, wohin. Ich beschließe spontan, meine Planung zu ändern.
    Doch zunächst schlendere ich langsam durch den Ort. Der Schmerz ist wieder da, er konzentriert sich auf die linke Ferse. Ich verwünsche meine Stiefel und hätte jetzt viel lieber leichte Sandalen an den Füßen. Wahrscheinlich ist die große Herberge am Ortseingang schon wieder belegt, denn es kommen mir so viele Pilger entgegen. Junge Pilger lagern auch auf der kleinen Wiese bei der Kirche, die auch Teil des Friedhofs ist. Sogar auf der Empore in der Kirche richten sich Pilger ihr Nachtlager her. Ob das den Einheimischen gefällt, frage ich mich, dass in ihrer Kirche und so nahe an den Gräbern ihrer Ahnen Fremde nächtigen?
    Als ich zurückkomme, steht vor der Herberge ein holländischer Kleinbus. Radfahrer sind dabei, ihre Räder einzuladen. Die Gruppe scheint glücklich und zufrieden, jeder Ankömmling wird fröhlich begrüßt. Manche allerdings erfrischen sich nur und fahren gleich weiter. Dann fährt auch der Bus ab; auch ich sage Buen Camino und winke ihnen nach. Die herzliche Freundschaft innerhalb dieser Gruppe ist ganz offensichtlich, und ein klein wenig beneide ich sie.
    Doch ich spüre, wie meine Kräfte zurückkehren und der Schmerz im Fuß nachlässt. Ich bin fest entschlossen, meinen Weg als einsame peregrina fortzusetzen.
    Abends halte ich meinen Fuß noch lange unter kaltes Wasser, reibe ihn mit Voltaren ein und nehme wieder ein Antibiotikum. Fünf Tage soll man sie ja nehmen - sicher ist sicher, denn ich möchte nicht noch einen Tag im Bett verbringen.
     

Von Triacastela nach Sarria
     
     
    Keine Straße ist lang mit einem Freund an der Seite.
    Aus Japan
     
    A m frühen Morgen bereiten wir Pilger uns wieder auf diesen Tag vor: Heute bin ich wieder dabei! Manche sind schneller, ich bin etwas langsamer. Gerade will ich zur Tür hinaus, als der ältere Herbergswirt mich am Rucksack hält und sagt: Sie fahren doch heute mit dem Bus? Da drüben ist die Haltestelle, er fährt in zehn Minuten ab.
    Ja, antworte ich gedehnt, weil ich mir gar nicht sicher bin. Während ich langsam zur Haltestelle hinübergehe, atme ich tief die kühle, frische Luft ein und schaue mich um.
    Ich sehe die saftig grünen Felder und die Pilger, die da vorne rechts im Wald verschwinden.
    Und dann — wie soll ich etwas erklären, das sich nicht erklären lässt? Von einer Sekunde auf die andere sind alle Zweifel verschwunden. Unvermittelt wende ich mich dem Camino zu, folge dem Gesang der Vögel und dem Ruf des Kuckucks, und schon bin ich auf dem Waldweg. Rechts neben mir stürzt ein kleiner Bach zu Tal, und es zählt nur noch die Lust, weiterzuwandern und neue Entdeckungen zu machen. Zufrieden mit mir und der Welt stapfe ich munter drauflos.
    Wenig später finde ich auf dem Weg den Pilgerpass einer Engländerin, in einer Plastikhülle zusammen mit allen anderen wichtigen Papieren. Soll ich ihn an einen Baum hängen oder besser liegen lassen? Ob ihn die Frau wohl erst heute morgen oder nicht vielleicht schon gestern verloren hat?
    Da kommt mit schnellen Schritten eine Pilgerin an mir vorbei. Sie grüßt, sie ist aus Deutschland. Ich reiche ihr die Plastikhülle entgegen und sage: Der Ausweis, Krankenversicherung und ein Flugticket sind da drin! Ob sie das nicht mitnehmen könne. Sie sei ja viel schneller als ich und würde bestimmt noch viele Pilger überholen.
    Nein, wehrt sie ab, sie wisse ja auch nicht, was sie damit machen solle, und geht weiter. Dann aber dreht sie sich noch mal um und sagt, ich kann ja alle ansprechen, die ich treffe, vielleicht ist die Richtige dabei.
    Und etwa eine Stunde später läuft mir wild gestikulierend ein Spanier entgegen. Seine Sprache ist genauso aufgeregt wie seine Gesten; ich verstehe kein Wort und drücke ihm einfach nur die Plastikhülle in die Hand. Ebenso wortreich bedankt er sich und eilt zurück. Später, nach einer Wegbiegung bei einem halb zerfallenen Haus, wartet die Engländerin; er ist schon bei ihr. Im Vorübergehen winke ich ihnen erleichtert zu. Sie hat ihre Papiere, und

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