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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Sauer
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verwenden darf. Sogar ein großer Fernseher ist da. Die Bäder sind gepflegt, für Männer und Frauen gibt es getrennte Schlafräume. Handtücher kann man sich nehmen, Bettwäsche liegt bereit. Sogleich geben die Berlinerinnen ihre Wäsche in die Waschmaschine. Und das alles für zehn Euro!
    Das Örtchen selbst gleicht einem Ferienort mit schmucken Häusern und Blumen davor. Brücken führen über den Fluß Aragon, wo ich lange am Ufer auf warmen Steinen sitze. Blitzartig stürzen immer wieder Milane auf das Wasser herab und holen riesige Fische heraus. Es sind so viele, dass sie sich gegenseitig verjagen. Wohl deshalb — und mit etwas Geduld - bekomme ich sogar einen Milan auf ein Foto.
    Der kleine Laden bei der Gaststätte, eine sogenannte tienda, die von den Wirtsleuten nur nebenbei betrieben wird, hat ganz eigene Öffnungszeiten. Als wir dann endlich abends um acht Uhr dort einkaufen können, zeigt das Fernsehen den Spanier Nadal beim Tennis in Paris. Sehr viele Leute haben sich in der Gaststätte zum Zusehen versammelt, auch Jungen und Mädchen. Alle fiebern mit, denn natürlich soll Nadal nicht nur dieses Match, sondern auch das ganze Turnier gewinnen - was ihm im Endspiel gegen Federer dann noch während meiner Pilgerreise auch gelingen wird.
    In einer dieser kleinen Zeitungen, wie sie auch bei uns in den Briefkästen liegen, lese ich etwas über die Radfahrergruppe, die heute unseren Weg gekreuzt hat. Es handelt sich um eine Tour mit einer Beteiligung von etwa 300 Fahrern, die für einen sozialen Zweck ausgetragen wird. Alle Fahrer, die ein bestimmtes Zeitlimit überschritten haben, müssen Strafe bezahlen - je länger sie brauchen, desto mehr. Auf diese Weise sollen eine ganze Menge Spendengelder zusammenkommen.
     

Von Santa Cilia nach Arrés
     
     
    Am Himmel weiße Wölkchen nur.
    Es ist so still, dass ich sie höre,
    die tiefe Stille der Natur.
    Theodor Fontane
     
    E rst gegen sieben bin ich wach. Es war wohl zu ruhig hier. Beate ist schon auf und will nun allein weiter. Erst denke ich, die drei jungen Frauen machen einen Scherz. Aber die anderen beiden wollen erst mal richtig ausschlafen - und mal sehen, vielleicht fahren sie ja auch ans Meer. So schnell kann sich alles ändern: In Berlin hatten die Freundinnen Beate überreden müssen, dass sie mitkommt. Und nach nur drei Tagen Pilgern haben die beiden keine Lust mehr; Beate aber ist so begeistert, dass sie am liebsten gleich bis Santiago pilgern würde, wenn ihre Urlaubszeit dies zuließe.
    Sicher haben sich die beiden nicht genug vorbereitet. Auch die Rucksäcke sind viel zu schwer. Man sieht von außen schon, wie vollgestopft sie sind. So viel Gewicht muss ja in die Hüften und Knie gehen.
    Ich bin schon seit Monaten beinahe jeden Tag mindestens eine Stunde gegangen, zuletzt auch mit dem original gepackten Rucksack. Zweimal in der Woche bin ich die 102 Meter hohe Halde Norddeutschland des Bergwerks Niederberg rauf, um auch die Steigungen zu trainieren. Bis zurück zu meiner Wohnung sind das zwölf Kilometer.
    Buen Camino, ihr drei, wo auch immer ihr hingeht! Es war schön mit euch. Beate in ihrem jugendlichen Tempo ist mir in kürzester Zeit weit voraus. Das stört mich nicht: Auch der längste Weg beginnt mit einem einzigen Schritt.
    Bevor ich richtig losmarschiere, halte ich am Ufer des Río Aragon noch einmal kurz inne. Im seichten Wasser sucht ein Storch nach Nahrung. Es ist der erste, der mir auf dieser Reise begegnet; ich freue mich, denn vor zwei Jahren sind mir die großen Vögel ja geradezu zu Begleitern geworden.
    Links von mir erhebt sich die Puente la Reina de Jaca, die Brücke der Königin. Schon bald führt mich das Schild »Arrés« auf einen Trampelpfad, einen Berg hinauf. Es wird schon gehen, denke ich. Doch mit dem linken Fuß zum Berg und dem rechten zum Abhang ist die Belastung wieder sehr einseitig. Eine Stunde, stand in meinem Buch. Aber ich brauche zwei, letztendlich sogar fast drei Stunden.
    Inzwischen ist es nach Mittag und ich habe kein Wasser mehr. Und das, obwohl ich beim Abmarsch drei volle Flaschen dabeihatte! Dennoch ist es sehr schön da oben. Die Stille ist so angenehm, und über allem liegt dieser herbsüße Duft von Liguster und Buchsbaum, die in dieser Region wild und in hohen Sträuchern wachsen. Auch die Aussicht ist hier wieder großartig; der Blick schweift weit über das Land, über ein Flussbett und Felder bis hin zu kleinen weißen Ansiedlungen.
    Ein letzter kleiner Abstieg; nun stehe ich mitten in dem

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