Mein Jakobsweg
trotz Karneval. Sonst hätte ich sowieso niemals so lange wegbleiben dürfen.
Vor dem Gebäude wollte ich links die Straße runter. Nein, sagte Peter, wir müssen nach rechts. Vertrau mir, ich muss auch in diese Richtung.
Nein, nach links.
Du kannst nicht von der anderen Seite gekommen sein.
Doch, von links, ich schwor darauf. Ging aber mit ihm mit.
Dies ist der richtige Weg, sagte er, vertrau mir.
Später erkannte ich erleichtert das Blumengeschäft, an dem ich auf dem Weg vorbeigekommen war.
Weshalb hast du dir ausgerechnet diesen Laden gemerkt, fragte er.
Ich weiß auch nicht. Ich mag Blumen und wäre gern Floristin.
Wir verabredeten uns für den nächsten Samstag. Er wohnte außerhalb, nur seine Mutter lebte in der Stadt.
Ich verging fast vor Aufregung, zählte die Stunden, dann die Minuten.
Rosenmontag, da macht man viele Versprechungen, gab Mutti meiner glühenden Liebe einen Dämpfer. Karneval ist vorüber. Kind, was erwartest du?
Das Leben, Mutti! Das ganze Leben!
Daran, und dass mich meine Erwartungen nicht getrogen haben, denke ich, während die Familie der Herbergsmutter das Jubelpaar hochleben lässt. Später trifft noch Resi ein. Sie ist aus Linz. Außerdem taucht ein Deutscher auf, so um die 40, in sogenannter Designerkleidung. Ihm wird das Bett über mir zugeteilt. Er aber besteht auf einem Einzelzimmer. In so kleinen Räumen könne er nicht schlafen, sagt er. Im Übrigen müsse er arbeiten. Spricht’s, lässt sich demonstrativ auf der Veranda nieder und packt mit großer Wichtigkeit seinen Laptop aus.
Verstehst du, weshalb der nicht bei mir schlafen will, frage ich Resi.
Nein, absolut nicht, aber in meinem Zimmer wäre auch noch ein Bett frei.
Amüsiert tragen wir die nasse Wäsche in den Hof. Recht spät dann allerdings will er wohl doch noch schlafen. In Ermangelung eines Hotels an diesem Ort kriecht er in das Bett über mir.
Von Artieda nach Sangüesa
Des Dorfes steingefasste Quelle,
zu der ihr schöpfend euch gebückt
Ferdinand Freiligrath
F rüh verlasse ich Artieda und gehe auf geteerter Straße Richtung Ruesta. Noch liegt die Kühle der Nacht über den Feldern; doch schon färbt sich der Himmel rosa, und die Vögel stimmen ihr Morgenlied an. Mit dem ersten Sonnenstrahl segeln die Schwalben durch die Lüfte. Ich liebe diese Morgenstimmungen. So gehe ich die ersten zwölf Kilometer schnell und beschwingt.
Als Erstes taucht über den Baumwipfeln die Burgruine auf; noch eine Straßenbiegung, dann ich bin in Ruesta. Das Städtchen ist ähnlich verlassen wie Arrés. Hier hat die Anlage eines Stausees Äcker und Wiesen geflutet und diesem Ort die landwirtschaftliche Lebensgrundlage genommen.
Die Herberge in der idyllisch gelegenen Siedlung ist restauriert, ein oder zwei weitere Häuser könnten schon bald wiederhergestellt sein. Es gibt auch einen kleinen Laden, in dem ich Brot und Käse kaufe. Getreu dem Grundsatz, wirf niemals Brot weg, ehe du kein neues hast, hat mein Brot aus Santa Cilia tatsächlich bis hierher gereicht.
Mein Plan ist, an dem Stausee entlang weiter zum Kloster Yesa zu pilgern. Dort will ich übernachten und dann den Weg durch eine Schlucht fortsetzen, die als sehr interessant beschrieben wird. Doch leider nimmt das Kloster Yesa keine Pilger mehr auf, sodass ich dem Camino über einen recht langwierigen Anstieg nach Undués de Lerda folgen muss. Bei dieser Hitze scheint mir das unmöglich; ich bestelle ein Taxi.
Während ich bei dem kleinen Mäuerchen am Ortseingang auf das Auto warte, biegt Resi um die letzte Kurve. Sie ist völlig verschwitzt und froh, hier eine Wasserstelle zu finden. Abgekämpft, wie sie ist, will sie gleich mit mir fahren.
In welch einem großen Bogen das Taxi dann um diesen Berg herumfahren muss, war auf meiner Karte nicht zu erkennen. Wir bezahlen 35 Euro!
Undués de Lerda ist ein netter kleiner Ort. Die Herberge ist noch geschlossen, keine Menschenseele auf der Straße. Auch in der wahrscheinlich einzigen Bar am Ort sind wir die einzigen Gäste.
Ich fühle mich wohl hier und möchte bleiben. Resi aber meint, es sei erst elf Uhr, die zehn Kilometer bis Sangüesa könnten wir leicht noch schaffen.
Trotz der himmlischen Ruhe in Undués de Lerda muss ich ihr recht geben: Es ist wirklich noch zu früh am Tag, um diese Etappe zu beenden. Schon sind wir wieder auf dem Camino.
Erst geht es auf schattigen Wegen zwischen Hecken und Bäumen hindurch über große, holprige Steinquader. Schilder weisen uns darauf hin, dass
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