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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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mich immer mit der größten Güte, aber sie waren zweifellos schrecklich unwissend. Alle konnten die Temperatur messen, und einige wußten auch, wie man einen Verband anlegt, das war aber auch alles. So geschah es, daß die Männer, die zu krank waren, um für sich selbst zu sorgen, oft in schmachvoller Weise vernachlässigt wurden. Die Krankenschwestern ließen einen Mann mit Darmverstopfung eine Woche lang liegen, ohne daß sie sich um ihn kümmerten. Nur selten wuschen sie diejenigen, die zu schwach waren, um sich selbst zu waschen. Ich erinnere mich an einen armen Teufel mit einem zerschmetterten Arm, der mir erzählte, daß er drei Wochen lang gelegen hatte, ohne daß sein Gesicht gewaschen wurde. Selbst die Betten wurden tagelang nicht gemacht. Das Essen war in allen Hospitälern gut, tatsächlich zu gut. In Spanien schien es noch mehr als anderswo eine Tradition zu sein, die Kranken mit schwerem Essen vollzustopfen. In Lerida waren die Mahlzeiten unglaublich. Das Frühstück, ungefähr um sechs Uhr morgens, bestand aus Suppe, einem Omelette, Stew, Brot, Weißwein und Kaffee. Und das Mittagessen war noch umfangreicher. Diese Verpflegung gab es zu einer Zeit, als der größere Teil der Zivilbevölkerung ziemlich unterernährt war. Die Spanier scheinen von leichter Diät nicht viel zu halten. Sie geben Kranken wie Gesunden das gleiche Essen – die reiche, fette Küche und alles in Olivenöl getränkt. Eines Morgens wurde bekanntgegeben, die Leute in meiner Abteilung sollten heute nach Barcelona geschickt werden. Es gelang mir, meiner Frau ein Telegramm zu senden, in dem ich ihr mitteilte, daß ich komme. Schon wurden wir in Busse gepackt und zum Bahnhof hinabgefahren. Erst als der Zug wirklich abfuhr, sagte mir ganz beiläufg der mitfahrende Sanitäter, wir führen nun doch nicht nach Barcelona, sondern nach Tarragona. Ich glaube, der Lokomotivführer hatte es sich anders überlegt. »Das ist typisch Spanien!« dachte ich. Aber es war auch typisch spanisch, daß man den Zug festhielt, bis ich noch ein zweites Telegramm abgeschickt hatte. Und es war noch typischer spanisch, daß dieses Telegramm niemals ankam.
    Sie steckten uns in normale Wagen dritter Klasse mit hölzernen Bänken, obwohl viele Leute schwer verwundet und heute erst aus dem Bett gekommen waren. Es dauerte bei der Hitze und der polternden Fahrt nicht lange, bis die Hälfte einem Kollaps nahe war und viele sich auf den Boden erbrachen. Der Sanitäter stapfte mit einer großen Wasserflasche aus Ziegenfell über die wie Leichen herumliegenden Verwundeten und spritzte hier oder dort etwas Wasser in einen Mund. Es war ein scheußliches Wasser, ich habe den Geschmack immer noch auf der Zunge. Als die Sonne schon niedrig stand, kamen wir nach Tarragona. Die Eisenbahnlinie führte einen Steinwurf weit vom Meer an der Küste entlang. Als unser Zug in den Bahnhof einlief, fuhr gerade ein ganzer Zug mit Soldaten der Internationalen Brigade heraus, und eine Anzahl Leute auf der Brücke winkte ihnen zu. Es war ein sehr langer Zug, der bis zum Bersten mit Soldaten vollgepackt war. Auf offenen Güterwagen standen Feldkanonen, die dort festgebunden waren, und neben den Kanonen hockten noch weitere Soldaten. Ich erinnere mich mit besonderer Lebhaftigkeit an das Schauspiel, wie die beiden Züge im gelben Abendlicht aneinander vorbeifuhren. Fenster auf Fenster voller dunkler, lächelnder Gesichter, die langen, geneigten Rohre der Kanonen, die roten, flatternden Schals – alles glitt langsam vor der türkisfarbenen See an uns vorbei.
    »Estranjeros – Ausländer«, sagte jemand. »Es sind Italiener.« Man konnte nicht übersehen, daß sie Italiener waren. Kein anderes Volk hätte sich so anmutig gruppieren können, und niemand hätte die Grüße der Menge mit so viel Grazie beantworten können, eine Grazie, die auch dadurch nicht weniger echt
    wirkte, daß vielleicht die Hälfte der Soldaten auf dem Zuge aus hochgehaltenen Weinflaschen trank. Wir hörten hinterher, daß sie ein Teil der Truppen waren, die im März den großen Sieg in Guadalajara errungen hatten. Sie waren auf Urlaub gewesen und wurden jetzt an die aragonische Front versetzt. Ich befürchte, daß die meisten von ihnen einige Wochen später bei Huesca getötet wurden. Die Männer, die nicht so schwer verwundet waren und stehen konnten, waren auf die andere Seite des Waggons gegangen und grüßten die Italiener, als wir an ihnen vorbeikamen. Eine Krücke winkte aus dem Fenster, bandagierte Arme

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