Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
fiel sie nicht! Der Angriff war ein scheußliches Durcheinander und führte zu nichts, nur zu einer Lügenorgie in den Zeitungen.) Nun mußte Kopp zu einer Besprechung in das Kriegsministerium nach Valencia. Er hatte einen Brief von General Pozas, der jetzt die Armee am Ostabschnitt befehligte. Es war der übliche Brief, in dem Kopp als eine »Person vollsten Vertrauens« beschrieben und für eine besondere Aufgabe in der Pionierabteilung empfohlen wurde (Kopp war im Zivilleben Ingenieur gewesen). Er ging am gleichen Tage nach Valencia, als ich nach Sietamo ging – am 13. Juni.
    Es dauerte fünf Tage, ehe ich nach Barcelona zurückkehrte. Auf einem Lastwagen erreichten wir mit einer Gruppe etwa gegen Mitternacht Sietamo, und als wir gerade im Hauptquartier der P.O.U.M. angekommen waren, trommelte man uns zusammen und händigte uns Gewehre und Patronen aus, bevor man überhaupt unsere Namen feststellte. Es hatte den Anschein, als ob der Angriff beginne und man jeden Augenblick Reserven anfordern könne. Ich hatte meinen Lazarettschein in der Tasche, aber ich konnte mich schlecht weigern, mit den anderen zusammen zu gehen. Ich schlief mit einem Patronenkasten als Kissen auf dem Boden und war in einer ziemlich bedrückten Stimmung. Durch die Verwundung hatte ich meinen Mut verloren – ich glaube, das ist eine normale Reaktion –, jedenfalls hatte ich schreckliche Angst, wieder unter Beschuß zu geraten. Aber schließlich gab es wie üblich ein wenig manaña, und wir wurden nicht hinausgerufen. Am nächsten Morgen zeigte ich meinen Lazarettschein vor und kümmerte mich um meine Entlassung; damit waren mehrere ermüdende und verworrene Reisen verbunden. Wie gewöhnlich wurde man von Lazarett zu Lazarett hin- und hergeschickt – Sietamo, Barbastro, Monzon, dann wieder zurück nach Sietamo, damit meine Entlassungspapiere gestempelt wurden, dann über Barbastro und Lerida wieder an die Front hinunter. Die Truppenzusammenziehungen bei Huesca aber hatten alle Transportmittel in Anspruch genommen und alles durcheinandergebracht. Ich erinnere mich, wie ich an recht sonderbaren Stellen schlief, einmal in einem Bett in einem Lazarett, dann wieder in einem Graben, einmal auf einer sehr engen Bank, von der ich mitten in der Nacht herunterfiel, und dann in einer Pension der Stadtverwaltung von Barbastro. Sobald man von der Eisenbahn wegkam, gab es keine Reisemöglichkeiten. Man konnte nur einen der gelegentlich vorbeikommenden Lastwagen anhalten. Zusammen mit einem Haufen verzweifelter Bauern, die Enten und Kaninchen in Bündeln mit sich trugen, mußte man stundenlang, oft drei oder vier Stunden hintereinander, am Straßenrand warten und Lastwagen um Lastwagen zuwinken. Erwischte man schließlich einen Lastwagen, der nicht zum Bersten voller Menschen, Brot oder Munitionskisten war, schlug einen die holpernde Fahrt über die elenden Straßen zu Brei. Niemals hat mich ein Pferd so hoch geworfen, wie uns die Lastwagen umherwarfen. Man konnte diese Reise nur durchhalten, wenn man sich zusammendrängte und aneinander festhielt. Es war niederschmetternd für mich, daß ich immer noch zu schwach war, um ohne Hilfe auf den Lastwagen zu klettern.
    Eine Nacht schlief ich im Lazarett von Monzon, wo ich die Ärztekommission aufsuchen mußte. Im Bett neben mir lag ein Sturmgardist, der über dem linken Auge verwundet worden war. Er war sehr freundlich und gab mir Zigaretten. Ich sagte: »In Barcelona hätten wir aufeinander schießen müssen«, und wir lachten darüber. Eigentümlich, wie sich die allgemeine Einstellung zu ändern schien, sobald man in die Nähe der Front kam. Der ganze oder fast der ganze böse Haß zwischen den politischen Parteien verflog. Ich kann mich aus der ganzen Zeit, die ich an der Front verbracht habe, nicht ein einziges Mal erinnern, daß sich ein Anhänger der P.S.U.C. mir gegenüber feindselig zeigte, weil ich zur P.O.U.M. gehörte. Das gab es eben nur in Barcelona oder an Orten, die noch weiter vom Kriegsschauplatz entfernt waren. In Sietamo lagen viele Sturmgardisten. Man hatte sie aus Barcelona hierhergeschickt, um am Angriff auf Huesca teilzunehmen. Die Sturmgardisten waren eigentlich nicht für den Einsatz an der Front bestimmt, und viele von ihnen hatten vorher noch nicht unter Beschuß gelegen. Unten in Barcelona waren sie die Herren der Straße, aber hier waren sie quintos (unerfahrene Rekruten), und ihre Kumpels waren die fünfzehnjährigen Milizkinder, die schon monatelang an der Front gewesen

Weitere Kostenlose Bücher