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Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Titel: Mein Koerper und ich - Freund oder Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanne Seemann
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solchen angeborenen »Filterschwäche« lernen könnten – was sie sollten! –, sehr frühzeitig die Überlastung zu bemerken, dann könnten sie sich rechtzeitig »abschirmen«.
    Eine Imaginationsübung dazu »Der Regenschirm« findet sich auf der CD.
    Abgesehen von dieser allgemeinen Migräne-Dynamik muss man jedoch davon ausgehen, dass jede einzelne Migräne-Patientin – im Erwachsenenalter sind Frauen dreimal häufiger von Migräne betroffen als Männer – ihre individuelle Symptomatik hat. Diese Symptomatik ist so vielgestaltig, dass man sie nicht vergleichen kann – zum Beispiel gibt es auch Formen ohne Kopfschmerzen oder mit Schmerzen im Bauch, besonders häufig bei Kindern – und doch spricht man von Migräne.
    Das immer gleiche Muster zeigt ihr funktioneller Ablauf – den schauen wir uns am besten vom Ende her an: Die Funktionsstörung, die wir Migräne nennen, geht bei ausreichender Ruhe von selbst wieder weg. Wenn man Patientinnen fragt, wie es ihnen nach einem Migräneanfall gehe, also dann, wenn sie wieder aufstehen und sich dem Leben erneut zuwenden, sagen viele von ihnen: »Da fühle ich mich wie neu geboren!«
    Und wirklich ist der Mensch, der vorher noch schwer krank war, nun und noch für eine längere Zeit danach wieder völlig gesund. Und das geschieht auch ohne therapeutische Einflussnahme, einfach durch Ruhe und Rückzug. In dieser Aus-Zeit fasst der Organismus wieder Tritt, reguliert sich wieder ein und ist für eine gewisse Zeit in der Lage, normal zu funktionieren – bis er dann wieder eine übermäßige Belastung registriert und erneut zusammenbricht.
    Es ist zunächst einmal nicht leicht zu verstehen, dass der Organismus seinen eigenen Zusammenbruch selbst inszeniert – und das aus gutem Grund. Die Migräne ist nämlich ein Schutzreflex, so etwas wie eine Notbremse, die der Organismus zieht, um sich selbst vor zu großer Überlastung zu schützen. Während der daran beteiligte Mensch noch lang nicht merken oder zugeben würde, dass es mal wieder zu viel ist, reagiert der Organismus sachgemäß und schnell: Er wirft den Menschen buchstäblich aufs Lager. Es ist interessant, dass viele Menschen, erst wenn die Migräne begonnen hat, den Drang verspüren, sich zurückzuziehen: Der Organismus verlangt es, und sie gehorchen. Andere nehmen dann lieber eines der sehr wirksamen neuen Migränemittel ein – wogegen gar nichts einzuwenden ist. Wenn sie allerdings weiter arbeiten, als wäre nichts geschehen, dann wird sich ihr Organismus rächen – er braucht die Aus-Zeit nämlich dringendst.
    Das gilt auch für die sogenannte Wochenend-Migräne, die zunächst noch unverständlicher ist – denn das ist ja die Zeit der Entspannung. Und tatsächlich wird dieser Migränetyp auch Entspannungs-Migräne genannt. Hierbei benützt der Körper die natürliche Pause des Wochenendes, sackt aber wegen der vorausgegangenen übermäßigen oder zu langen Anspannungsphase total in den Keller. Präziser ausgedrückt: Die Übererregung im sympathischen Nervensystem kippt um und wird abrupt abgelöst von, wiederum überschießenden, parasympathischen Einflüssen. Dies zeigt sich auch im Umkippen von sympathischen Symptomen wie nervöse Übererregung, Hautrötung, Unruhegefühl, innere Hektik in parasympathische Symptomen wie Schwächegefühle, Müdigkeit, Hautblässe, Erbrechen.
    Ein solcher Umschlag passiert auch in der Entspannung der Nacht, weshalb nicht wenige Betroffene morgens mit Migräne aufwachen. Wenn man Patienten mit Wochenend-Migräne sagen hört: »Solange ich arbeite, passiert mir nichts, am besten wäre es, ich würde immer weiter aktiv sein« – was so jemand oft auch noch im Urlaub durchhält –, so ist das langfristig eine Falle.
    Die Wochenend-Migräne ist eine besonders zuverlässige und gleichzeitig rücksichtsvolle Migräneform. Zuverlässig, weil sie garantiert immer zur gleichen Zeit kommt und geht. Rücksichtsvoll, weil sie wichtige Tätigkeiten nicht unterbricht, sondern höflich abwartet, bis sich eine »passende« Gelegenheit ergibt.
    Viele Menschen kennen eine andere Variante dieser Zuverlässigkeit ihres Körpers: Sie werden krank, sobald die Anspannung vorüber ist, z.B. in den ersten Urlaubstagen. Der Organismus hat große Energiereserven, sodass wir uns in Notzeiten auf ihn verlassen können. Dass er so manche Arbeitswoche für eine Not-Zeit hält, spricht für seine Intelligenz. Wenn aber solche Zeiten der Not jede Woche wiederkehren und er bei jeder Zwischenpause

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