Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
gewissen Grad der Übererregung – nur noch und möglichst zügig in den parasympathischen Zustand der Erholung gelangen. Niemand lernt so schnell und präzise wie unser Organismus. Und letztendlich bleiben nach einem solchen massiven Systemzusammenbruch nicht einmal Schädigungen zurück – außer natürlich im Leben des Betroffenen. Da können die Schäden erheblich sein.
Eine Möglichkeit, solche Ereignisse zu vermeiden, ist, schnell und präzise zu reagieren. Ich sage zu meinen Migräne-Patientinnen oft: »Seien Sie schneller als Ihre Migräne!« Was so viel heißt wie: »Kommen Sie ihr zuvor.« Indem Sie die allerersten oder zumindest frühe Anzeichen einer beginnenden Entgleisung erkennen und selbst gegenregulieren. Jede Migräne hat ihre vegetativen oder psychischen Vorboten: unwillkürliches Gähnen, Stimmungsveränderungen, Heißhunger – bei jedem ist es etwas anderes. Dann heißt es entgegenkommen, sich zurückziehen, hinlegen, Augen zu. Wenn man nicht schnell reagiert, hilft nichts mehr, dann geht der Erregungsanstieg unaufhaltsam weiter – weil, wie gesagt, der Organismus an seinem eigenen Zusammenbruch interessiert ist.
Wenn man die beiden bisher beschriebenen Rhythmusstörungen miteinander vergleicht, so handelt es sich um zwei entgegengesetzte Dynamiken, die die bekömmliche Schwingungverzerren: einmal hin zum Festhalten – der Muskulatur und der vegetativen Regulationen –, das andere Mal hin zu übermäßigen Ausschlägen nach oben und unten. So leuchtet auch ein, dass bei der ersten Dynamik Bewegung ins System hineinmuss. Patienten mit Spannungskopfschmerzen sagen zum Beispiel, dass ihnen Bewegung an der frischen Luft hilft, während bei der Übersteuerungsdynamik Ruhe angesagt ist.
Nun wäre es gut, wenn jede und jeder entweder schon früh im Leben oder irgendwann einmal merken würde, zu welchem Typ Mensch sie oder er gehört, welche Belastungen schaden und welche vielleicht eher herausfordern und stärken. Da die Migränekonstitution des Gehirns angeboren ist – Migräne kommt gehäuft in Familienlinien vor –, zeigt sich schon sehr früh, was ein Kind vertragen kann und was nicht. Wenn man davon ausgehen muss, dass solche Kinder sensibel auf bestimmte Situationen reagieren, so heißt das nicht, dass sie nervlich schwächeln: ganz im Gegenteil, sie ähneln in vielerlei Hinsicht Hochleistungs-Turbo-Maschinen. Aber manches, z.B. starke Erregung, soziale Enttäuschungen, großes Durcheinander, können sie nicht vertragen und sollten ihr Leben danach einrichten.
Menschen, die eher zur inneren Unbeweglichkeit, zum Festhalten und Erstarren neigen, merken das vielleicht erst viel später im Leben: Auch sie sollten aufmerksam sein und bei den ersten Symptomen gegensteuern. Der Körper wird die richtigen Zeichen geben.
4.Chronische Erschöpfung – wie gerät man in den Burnout und wieder heraus?
Bei einem Erschöpfungssyndrom – ein Syndrom ist ein ganzer Komplex verschiedener Symptome – wird der schwingende Rhythmus der Funktionen des Organismus mit der Zeit immer flacher, bis er fast völlig versiegt. Würde man diese Rhythmusstörung grafisch darstellen, so sähe sie ähnlich aus wie beim Erstarrungssyndrom – nichts bewegt sich mehr –, jedoch energetisch gesehen auf einem niedrigeren Niveau. Natürlich können sich beide Störungen überlagern, wenn aus der chronischen Erstarrung schließlich Erschöpfung resultiert – festhalten kostet Kraft. Die Dynamik des Erschöpfungssyndroms endet allerdings meist dramatischer, zum Beispiel in einem Burnout – was man mit ausgebrannt sein übersetzen kann, ein Begriff, der darauf hindeutet, dass vorher ein Feuer war, das sich verzehrt hat – die Betroffenen fühlen sich denn auch so, als wäre von ihnen nur Asche übrig geblieben.
Wie kommt so etwas zustande? Durch den systematischen Raubbau an den eigenen Energiereserven. Und es betrifft sehr oft solche Menschen, die viel Energie haben, aktiv und fit sind, viel leisten, sich selbst nichts schenken, stolz darauf sind, und zwar mit Recht. Wie weiter oben schon gesagt wurde, kann der menschliche Organismus unglaubliche Mengen an Energie mobilisieren, wenn es um das Überleben – das eigene oder das der Kinder – geht oder darum, eine Notsituation durchzustehen, wenn Gefahr droht und gekämpft oder geflüchtet werden muss. Dann schüttet der Organismus Botenstoffe aus, die alle Organfunktionen aktivieren, die Muskulatur mit Kraft ausstatten und die Psyche auf »durchhalten«
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