Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
programmieren.
Nach einem solchen Ereignis bzw. einer solchen Zeitspanne ist der Organismus auf Erholung angewiesen, um seine Energiereserven wieder aufzufüllen. Auch hier wieder ist der Wechsel zwischen Stress – der kurzfristig überhaupt nicht schädlich ist, sondern sogar sehr anregend sein kann – und Erholung essenziell. Ein Erschöpfungssyndrom entsteht, wenn der Stress nicht oder nicht lang genug abgebaut wird und die Energiereserven nicht mehr ausreichend aufgefüllt werden – dann versiegen sie.
Dauert eine Belastungsphase zu lang, Jahre vielleicht, wenn zum Beispiel jemand gepflegt werden muss, bei der schon sprichwörtlichen Doppel- oder Dreifach-Belastung vieler Frauen, dann resultiert daraus möglicherweise eine Dynamik, wie sie oben unter dem Stichwort »Entspannungsmigräne« beschrieben wurde. Da hoffen die Menschen auf ein Ende des Martyriums, wenn sie wieder durchatmen können, erwarten, dass nun alles leichter werden wird – und bekommen stattdessen von ihrem Körper die Quittung in Form einer schweren Erkrankung. Dabei sieht man regelmäßig das Phänomen, dass sich dann psychosomatische Störungen, auch wenn sie längst chronisch geworden sind, zurückziehen: Wenn eine körperliche »Aufgabe« dazwischenkommt, geben sie ihr Vorrang und pausieren – kommen später aber zuverlässig zurück.
Ein Erschöpfungs-Syndrom kündigt sich an und kann aufgehalten werden, wenn die Zeichen erkannt und beachtet werden. Bei Frauen steht die körperliche Symptomatik im Vordergrund –Müdigkeit, Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Essstörungen –zu viel oder zu wenig – Magen-Darmstörungen – je nach individueller Veranlagung. Bei Männern bemerkt man Überlastung oft in ihrem Beziehungsverhaltung als Reizbarkeit, Rücksichtslosigkeit, ironische und sarkastische Reaktionen sowie in selbstschädigendem Verhalten wie Tabletten- und Alkohol-Abusus, und natürlich reagieren sie auch mit Rücken- und Kopfschmerzen und als deren Folge mit sozialem Rückzug. Bei Männern ist also zuerst das soziale Umfeld betroffen, sie selbst merken lang nichts – erst wenn wirklich nichts mehr geht.
Das Ende aller Kräfte, wenn man von einem Burnout spricht, resultiert in einem Lebensgefühl, dass alles zu viel ist, dass schon morgens der Tag wie eine unüberwindliche Wand vor einem steht, dass man sich nur noch weit weg wünscht. Letztendlich sehnt man den Tod herbei, damit die ganze Anstrengung ein Ende hat. Gottlob reicht die Energie meist nicht für den Suizid.
Da sich die Schilderungen der Patienten für den Arzt so anhören, als handle es sich um eine schwere klinische Depression, bekommen diese Patienten dann stimmungsaufhellende Medikamente verordnet – Vorsicht! Falls das Antidepressivum aktivierende Komponenten enthält, erhöht sich das Suizidrisiko. Diese Menschen benötigen vor allem anderen eine lange Aus-Zeit. Das sollten auch die Reha-Kliniken stärker berücksichtigen und mit ihren wohlmeinenden »Anwendungen«, mit denen sie die Patienten den Tag über beschäftigt halten, ein wenig zurückhaltender sein. Eine Lehrerin, die wegen chronischer Erschöpfung, nahe am Burnout, eine Kur genehmigt bekommen hatte, kam völlig »kaputt« von dort zurück. Sie beschwerte sich bei ihrer Krankenkasse und bekam sehr zeitnah eine weitere Kur genehmigt – diesmal zur Erholung.
Zunächst einmal gilt es jedoch zu schauen, was so viel Kraft kostet. Die meisten Menschen denken, wenn man von der Arbeit heimkommt, ist man eben müde. Falls sie nach der Arbeit mit ihrer Freundin ins Schwimmbad oder er mit dem Kumpel in die Kneipe – oder umgekehrt – geht, siehe da! – keine Müdigkeit zu sehen. Die ist schon nach Hause gegangen und sitzt dort wartend auf dem Sofa: Kaum kommt man zur Tür herein, breitet sie sich lähmend in allen Gliedern aus, da hilft nur noch eines: vor dem Fernseher abhängen.
Eine noch junge Patientin, die wegen Spannungskopfschmerzen um Beratung nachgesucht hatte, erzählte, sie habe einen so anstrengenden Job, dass sie jeden Abend nicht einmal mehr die Treppen zu ihrer Wohnung hochkomme – sie wohnte im zweiten Stock – und sich erst einmal zum Atemholen auf die unterste Treppenstufe setzen müsse, bevor sie hinaufgehen könne. Im Zusammenhang mit den Kopfschmerzen hatten wir schon über ihre druckvolle Situation im Büro gesprochen – aber ich wusste auch, dass sie dort ständig die Treppen hinauf- und hinunterrannte. Aus Fitnessgründen vermied sie es, den Fahrstuhl zu nehmen.
Als
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