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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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unerwünschte Aufmerksamkeit bescherte.
    Außerdem hatte ich das Gefühl, dass sie mich bloß zur Schule schickten, um mich aus dem Haus zu haben, worauf ich sehr wütend reagierte. Ein noch recht junger Lehrer namens Mr. Porter schien ernsthaftes Interesse zu haben, die Talente und Fähigkeiten seiner Schüler zutage zu fördern und sie auch ganz persönlich kennenzulernen. Jedes Mal wenn er das bei mir versuchte, stellte ich mich extra stur. Ich starrte ihn möglichst hasserfüllt an, bis er mich irgendwann für meine, wie er es nannte, »tumbe Unverschämtheit« verprügelte. Das kann ich ihm heute nicht verdenken, aber damals behandelte ich jede Autoritätsperson auf diese Tour. Kunst war das einzige Fach, das ich wirklich mochte, obwohl ich auch einen Preis für mein Vorspiel von »Greensleeves« auf der Blockflöte gewann, dem ersten Instrument, das ich gelernt habe.
    Der Direktor der Schule war Mr. Dickson, ein Schotte mit roten Haaren. Bis ich neun war, hatte ich kaum etwas mit ihm zu tun, dann jedoch wurde ich eines Tages zu ihm zitiert, weil ich einem Mädchen aus meiner Klasse eine anzügliche Frage gestellt hatte. Beim Spielen auf der Dorfwiese hatte ich ein selbst gemachtes Pornoheft im Gras gefunden: eine Ansammlung unbeholfen zusammengehefteter Blätter mit laienhaften Zeichnungen von Genitalien und einem getippten Text voller Wörter, die ich noch nie gehört hatte. Meine Neugier war geweckt, weil ich zu Hause nicht aufgeklärt worden war und ganz bestimmt noch nie weibliche Geschlechtsteile gesehen hatte. Ehrlich gesagt, war ich mir nicht einmal sicher gewesen, ob es überhaupt einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen gab, bis ich mir dieses Heft anschaute.
    Nachdem ich mich von dem Schock dieser Zeichnungen erholt hatte, war ich fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Leider war ich viel zu schüchtern, um eins der Mädchen zu fragen, die ich aus der Schule kannte, aber es gab eine Neue in unserer Klasse, die ich, weil sie neu war, für Freiwild hielt. Das Glück wollte es, dass sie im Klassenraum direkt vor mich gesetzt wurde, sodass ich eines Morgens all meinen Mut zusammennahm und sie ohne jede Ahnung von der Bedeutung des Wortes fragte: »Hast du Lust zu bumsen?« Sie sah mich verwirrt an, weil sie offensichtlich ebenfalls keinen Schimmer hatte, wovon ich redete. Aber in der Pause erzählte sie es einem anderen Mädchen und fragte sie, was es bedeutete. Nach dem Mittagessen wurde ich ins Büro des Direktors gerufen, wo man mich über meine genaue Wortwahl befragte und mir das Versprechen abnahm, mich zu entschuldigen, bevor ich mich vornüberbeugen musste, um mir eine saftige Tracht Prügel abzuholen. Ich verließ das Büro unter Tränen. Verheerender war jedoch, dass ich von diesem Tag an dazu neigte, Sex mit Bestrafung, Scham und Verlegenheit in Verbindung zu bringen, was mein Liebesleben jahrelang überschattet hat.
    In einer Hinsicht war meine Kindheit jedoch auch eine sehr glückliche Zeit. Denn so verwirrend das Leben zu Hause oft war, mit seiner oft unverständlichen Dynamik, gab es draußen eine Welt der Fantasie und die Landschaft, in der ich mit meinen Kumpeln lebte. Meine besten Freunde waren Guy, Stuart und Gordon, wir wohnten alle in derselben Häuserzeile an der Dorfwiese. Ich weiß nicht, ob sie etwas über meine Herkunft wussten, und ich glaube, selbst wenn, wäre es auch egal gewesen. Für sie war ich »El Capitán«, manchmal abgekürzt auch nur »El« und meistens einfach »Ric«. Sobald die Schule aus war, waren wir die ganze Zeit mit unseren Rädern draußen unterwegs.
    Mein erstes Fahrrad war ein James, das Jack mir geschenkt hatte, nachdem ich ihn endlos genervt hatte, dass ich ein Triumph Palm Beach haben wollte wie er: dunkelrot-beige-metallicfarben und meiner Ansicht nach das ultimative Fahrrad. Weil es jedoch ein reguläres Herrenrad war, gab es keine Kinderversion davon, und er schenkte mir stattdessen das James. Farblich sah es im Grunde genauso aus, aber es war nicht das Original, und sosehr ich mich auch bemühte, mich dankbar zu zeigen, war ich in Wahrheit doch enttäuscht, und das hat man mir wahrscheinlich angemerkt. Doch ich ließ mich nicht verdrießen und nahm das ganze Rad auseinander, montierte eine der Bremsen und die Schutzbleche ab und stattete es mit geländetauglichen Reifen aus, sodass es am Ende das war, was wir ein »Track-Bike« nannten.
    Nach der Schule trafen wir uns auf der Dorfwiese und überlegten, wohin wir fahren sollten.

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