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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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er einen kuriosen Anblick, denn er hatte sehr lange Haare, die er mit Tonnen von Brylcreem-Gel nach hinten kämmte. Aber wenn er erst einmal loslegte, fielen ihm die Haare ins Gesicht, und er sah aus wie ein Unterwasserwesen. In seinem Zimmer stand ein Plattenspieler, auf dem er mir seine Lieblings-Jazz-Platten vorspielte, Nummern von Stan Kenton, den Dorsey Brothers und Benny Goodman. Mir kam es damals vor wie Outlaw-Musik, deren Botschaft ich deutlich vernahm.
    Die Musik, die ich von frühester Kindheit an hörte, kam meistens aus dem Radio, das zu Hause den ganzen Tag lief. Ich empfinde es als Segen, in jener Ära geboren worden zu sein, weil sie musikalisch ungeheuer vielfältig war. Die mit Abstand populärste Sendung der Zeit hieß Two-Way Family Favourites , eine Liveshow mit Schaltungen von in Deutschland stationierten britischen Soldaten zu ihren Familien daheim. Sie kam sonntags um zwölf, wenn wir gerade um den Mittagstisch Platz nahmen. Rose kochte immer ein wirklich gutes Sonntagsessen mit Roast Beef, reichlich Soße, Yorkshire Pudding, Kartoffeln, Erbsen und Möhren, gefolgt von einem Pudding mit getrockneten Früchten und Vanillesauce. Mit dieser unglaublichen Musik aus dem Radio war es ein Fest für alle Sinne. Wir hörten das gesamte musikalische Spektrum – Oper, klassische Musik, Rock’n’Roll, Jazz und Schlager. In einer Sendung konnte etwa Guy Mitchell »She Wears Red Feathers« singen, dann kam eine Bigband-Nummer von Stan Kenton, eine Tanzmelodie von Victor Sylvester, vielleicht ein Schlager von David Whitfield, eine Arie aus einer Puccini-Oper wie La Bohème und, wenn ich Glück hatte, Händels »Wassermusik«, eines meiner Lieblingsstücke. Ich mochte jede Musik, in der machtvoll Gefühle ausgedrückt wurden.
    Samstagmorgens hörte ich Children’s Favourite s mit dem unglaublichen Uncle Mac. Punkt neun saß ich vor dem Radio, wartete auf das Piepen zur vollen Stunde und die Ansage: »Samstagmorgen neun Uhr, Zeit für Children’s Favourites.« Dann kam die Erkennungsmelodie, eine schrille Orchesternummer mit dem Titel »Puffing Billy«, bevor uns Uncle Mac persönlich mit einem »Hallo Kinder, hier ist Uncle Mac. Euch allen einen guten Morgen« begrüßte. Anschließend spielte er eine ziemlich außergewöhnliche Mischung, in der neben Kinderliedern wie »Teddy Bear’s Picnic« oder »Nellie the Elephant« aktuelle Songs wie »The Runaway Train«, Folknummern wie »The Big Rock Candy Mountain« und am äußersten Ende der Skala auch mal Chuck Berry mit »Memphis Tennessee« erklangen, das mich wie ein Blitzschlag traf, als ich es zum ersten Mal hörte.
    An einem Samstag spielte er einen Song von Sonny Terry und Brownie McGhee mit dem Titel »Whooping and Hollering«. Darauf spielt Sonny Terry atemberaubend schnell und mit perfektem Timing abwechselnd entweder Mundharmonika oder johlt im Falsett, während Brownie ihn im selben Tempo auf der Gitarre begleitet. Ich nehme an, Uncle Mac hat die Nummer gespielt, weil sie so ungewöhnlich war, aber mich traf sie wie ein Stich ins Herz. Fortan verpasste ich keine Children’s Favourites – Sendung mehr für den Fall, dass er sie noch einmal spielen würde, was er tatsächlich immer wieder tat.
    Musik wurde meine Heilerin, und ich lernte mit meinem ganzen Wesen zuzuhören. Ich entdeckte, dass ich dabei all meine Ängste und Unsicherheiten bezüglich meiner Familie vergessen konnte. Und die wurden 1954, als ich neun war, noch akuter, weil plötzlich meine Mutter in mein Leben trat. Sie war inzwischen mit einem kanadischen Soldaten namens Frank MacDonald verheiratet und brachte ihre beiden kleinen Kinder mit, meinen sechsjährigen Halbbruder Brian und meine einjährige Halbschwester Cheryl. Wir holten sie an der Fähre in Southampton ab, und die Gangway hinunter schritt eine schicke Frau mit modisch hochgesteckten rotbraunen Haaren und ungeheurer Ausstrahlung. Sie sah sehr gut aus, hatte jedoch etwas Kühles und Spitzes. Sie kam beladen mit teuren Geschenken, die ihr Mann Frank aus Korea geschickt hatte, wo er während des Krieges stationiert war. Wir bekamen alle mit Drachen bestickte Seidenjacken, glänzend lackierte Kästchen und dergleichen.
    Obwohl ich mittlerweile die Wahrheit kannte, was Rose und Jack auch wussten, sagte bei uns zu Hause niemand etwas, bis ich, als wir eines Abends alle im Wohnzimmer unseres winzigen Hauses saßen, Pat gegenüber mit der Frage herausplatzte: »Darf ich dich jetzt Mummy nennen?« Einen schrecklich peinlichen

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