Mein Leben
können, und John Mayall schien einverstanden. Ich glaube, dass er bis zu meinem Einstieg mit seinen musikalischen Vorlieben ziemlich allein gestanden und nun endlich jemanden gefunden hatte, der den Blues ebenso ernst nahm wie er.
Im April 1965 stieg ich bei den Bluesbreakers ein und zog in Johns Haus in Lee Green, wo er mit seiner Frau Pamela und seinen Kindern lebte. Er war zwölf Jahre älter als ich und sah mit den langen lockigen Haaren und Bart aus wie Jesus. Er hatte ein bisschen was von einem Lieblingslehrer, bekam es aber irgendwie hin, cool zu wirken. Er trank keinen Alkohol und war ein Fanatiker in puncto gesunde Ernährung, der erste echte Vegetarier, den ich kennenlernte. John war ausgebildeter Grafiker und verdiente ganz ordentlich als Illustrator unter anderem von Science-Fiction-Büchern und als freier Grafiker für Werbeagenturen, aber seine eigentliche Leidenschaft war die Musik. Er spielte Klavier, Orgel und Rhythmusgitarre und hatte die fantastischste Plattensammlung, die ich je gesehen hatte, mit äußerst raren Singles, die man sonst nur auf Compilations fand. Viele davon bestellte er über Blues Unlimited , ein von dem Blues-Fan Mike Leadbetter herausgegebenes Fachmagazin. Fast ein Jahr wohnte ich in einer winzigen Kleiderkammer im obersten Stock von Johns Haus, kaum groß genug, um ein Bett hineinzustellen, und verbrachte meine freie Zeit damit, mir seine Platten anzuhören und zur Übung mitzuspielen.
Der moderne Chicago-Blues wurde mein neues Mekka. Es war ein rauer elektrischer Sound, eingeführt von Leuten wie Howlin’ Wolf, Muddy Waters und John Lee Hooker, die aus dem Mississippi-Delta nach Norden gegangen waren, um für Labels wie Chess aufzunehmen. Die herausragenden Gitarristen dieser Richtung waren Otis Rush, Buddy Guy, Elmore James, Hubert Sumlin und Earl Hooker, um nur einige zu nennen. Mit Gitarre, Bass, Drums und Keyboard war unser Line-up perfekt für diese Musik. An den Drums saß Hughie Flint, der später mit Tom McGuinness die Band McGuinness-Flint gründete. Ich spielte Lead-Gitarre, John McVie, der später mit Mick Fleetwood Fleetwod Mac gründete, Bass. Er war nicht nur ein genialer Bassist, sondern auch ein sehr witziger Typ, ein Zyniker mit rabenschwarzem Humor. Zu der Zeit waren die beiden Johns und ich völlig besessen von Harold Pinters Drama Der Hausmeister . Ich hatte die Verfilmung mit Donald Pleasance als Landstreicher Davies unzählige Male gesehen, mir das Drehbuch gekauft, und kannte es über weite Strecken auswendig. Wir verbrachten Stunden damit, Szenen des Dramas nachzuspielen, wobei wir ständig die Rollen tauschten, sodass ich manchmal Aston, manchmal Davies und manchmal Mick war. Dabei lachten wir Tränen.
Da Mayall so viel älter war als wir und in unseren Augen einen achtbaren Vertreter des Mittelstandes darstellte, der mit Frau und Kindern am Stadtrand wohnte, war die Banddynamik von Anfang an festgelegt: er und wir. Er war der Pauker, und wir waren die Schlingel aus der letzten Reihe. Bis zu einem gewissen Punkt war er nachsichtig, aber wir kannten seine Grenzen und gaben uns alle Mühe, ihn bis an dieselben zu treiben. Wir feixten hinter seinem Rücken, erklärten ihm, er könne nicht singen, und kicherten, wenn er mit nacktem Oberkörper auf die Bühne ging. Er war ein gut gebauter Mann und ziemlich eitel, und wir wollten sehen, wie weit wir gehen konnten, bevor er ausflippte. John duldete keinen Alkohol bei der Arbeit, während McVie, unser Wortführer, auch mal einen über den Durst trank, was häufig zu Auseinandersetzungen führte. Obwohl McVie eigentlich ein herzensguter Mensch war, machte der Alkohol ihn manchmal so aggressiv, dass wir ihn zurücklassen oder auf der Rückfahrt von einem Gig im Norden sogar aus dem Van schmeißen mussten.
Kaum einen Monat nach meinem Einstieg bei den Bluesbreakers bat John mich, in ein Studio zu kommen, um bei einigen Stücken mitzuspielen, an denen er mit Bob Dylan arbeitete. Er war sehr aufgeregt, zumal Dylan, der gerade durch England tourte, ausdrücklich um ein Treffen mit ihm gebeten hatte, nachdem er seinen Song »Crawling Up a Hill« gehört hatte. Was meine Empfindungen gegenüber Dylan anging, war ich damals zwiegespalten und vor allem von der Tatsache beeinflusst, dass Paul Samwell-Smith ein großer Fan von ihm war und ich alles, was Paul gut fand, aus Prinzip nicht mochte. Ich machte mich also auf den Weg zu dem Studio, wo die Session stattfand, und wurde Bob und seinem Produzenten Tom Wilson
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