Mein Leben
Potenzials einer wirklich guten Bluesrock-Band. Für eine Weile kehrte ich nach Ripley zurück, schüchtern, verängstigt und entmutigt von einer Branche, in der jeder nur seinen Schnitt im Auge hatte und weniger an der Musik als an ihrem Ausverkauf interessiert war. Eine Weile wohnte ich bei Jack und Rose, die beide sehr verständnisvoll waren. Ich glaube, sie hatten mittlerweile begriffen, dass ich das, was ich machte, ernst meinte, und beschlossen, mich darin zu unterstützen.
Ich hatte damals eine karibische Freundin namens Maggie, eine Tänzerin bei Top of the Pops . Eines Abends gingen wir beide in Ronnie Scott’s Club in Soho, um meinen Freund Tony Garland zu treffen. Tony war ein Musikfan, den ich aus dem Marquee kannte, und außerdem der erste Mensch, den ich Schlaghosen tragen sah. Er machte sie selbst, indem er dreieckige Flicken in seine Levis einnähte. An diesem Abend war er in Begleitung von June Child, einem toll aussehenden Mädchen, das offensichtlich einen ungeheuer scharfen Verstand hatte und sehr, sehr witzig war. Wir kamen ins Gespräch, sie machte sich über Tony lustig, den sie in einem fort als »Wichser Garland« bezeichnete, und ich machte mit. Das wiederum passte Maggie überhaupt nicht, weil sie meine volle Aufmerksamkeit gewohnt war, mit dem Ergebnis, dass wir am Ende des Abends die Partnerinnen getauscht hatten.
Ich verließ den Club mit June, die sofort eine meiner besten Freundinnen wurde. Ein Paar wurden wir allerdings nicht, denn ich fühlte mich in ihrer Gesellschaft wirklich wohl und wollte unsere Freundschaft nicht zerstören. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mehr wollte, aber damals hatte ich noch nicht begriffen, dass man ein Mädchen begehren und mit ihr befreundet sein konnte. Sex war nach wie vor ein Akt der Eroberung und nicht Ausdruck einer liebevollen Beziehung. Die Idee, dass man eine intelligente Unterhaltung mit einem Mädchen führen und anschließend mit ihr schlafen konnte, kam mir einfach nicht. Rückblickend bereue ich es, dass wir nicht zusammengekommen sind, denn wir hätten bestimmt eine großartige Zeit miteinander verbracht.
June wurde nicht nur mein Kumpel, sondern, da ich selbst keinen Führerschein hatte, auch mein freiwilliger Chauffeur. Einmal bat ich sie, mich nach Oxford zu fahren, wo ich Ben Palmer besuchen wollte, den Keyboarder der Roosters. Er war ein unglaublich charismatischer Mensch, witzig, hochintelligent, weltgewandt und klug, mit ausgeprägten, beinahe aristokratischen Gesichtszügen, die ihn aussehen ließen wie eine Gestalt aus dem 18. Jahrhundert, ein ungemein kreativer und tiefgründiger Kopf, ein Multitalent, der alles hätte machen können.
Er lebte damals in einem Atelier über einigen Ställen, wo er sich als Autodidakt der Holzschnitzerei zugewandt hatte. Als wir ankamen, beendete er gerade die Arbeit an einem Tang-Pferd. Er sagte, er habe das Klavierspielen komplett aufgegeben. Ben war der einzige mir bekannte Mensch, der ein ebenso fanatischer Blues-Purist war wie ich, und ich versuchte, ihn zu einem gemeinsamen Projekt zu überreden. Ich dachte, dass wir vielleicht eine Bluesplatte mit Klavier und Gitarre aufnehmen könnten, aber er weigerte sich standhaft. Anfangs war ich sehr deprimiert, und ein paar Wochen lang kümmerte Ben sich wie ein älterer Bruder um mich. Er sorgte für mich, kochte mir köstliche Mahlzeiten und machte mich mit der Herr der Ringe – Trilogie bekannt, die ich stundenlang las.
Derweil hatte June Bens Nummer an John Mayall weitergegeben, einen Bluesmusiker mit gutem Ruf und Kopf seiner eigenen Band, der Bluesbreakers. Irgendwann rief er an und fragte, ob ich vielleicht Interesse hätte, bei seiner Truppe einzusteigen. Ich kannte ihn aus dem Marquee und bewunderte ihn, weil er damals genau die Musik machte, die die Yardbirds meiner Meinung nach hätten machen können. Er hatte seine Nische gefunden und verließ sie nicht. Er trat in den guten Clubs auf und machte hin und wieder eine Schallplatte, ohne auf den ganz großen Erfolg zu schielen. Dass ich seine beiden Singles, »Crawling Up a Hill« und »Crocodile Walk« für belanglosen R&B-Pop hielt, spielte dabei keine Rolle, denn die Band bot mir den richtigen Rahmen.
Was seinen Gesang und seine Selbstdarstellung betraf, hatte ich auch so meine Zweifel, war jedoch in erster Linie dankbar, dass jemand meine Qualitäten erkannte. Ich hoffte, die Band von dem Jazz-Blues, den sie damals spielte, ein wenig in Richtung Chicago-Blues steuern zu
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