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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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Heimatstadt, spielten, konnten wir bestenfalls darauf hoffen, dass wir eingeladen wurden, bei irgendwelchen Verwandten zu übernachten. Das habe ich einmal gemacht, und es war ziemlich trübselig, aber immer noch besser, als die ganze Nacht im Transporter zu sitzen.
    Es war ein unvorstellbares Leben, das mir manchmal selbst unwirklich vorkam. So rief mich beispielsweise eines Abends Mike Vernon an, der Besitzer des Blue-Horizon-Labels, und überredete mich, zu einer Session ins Studio zu kommen, wo ich unversehens mit Muddy Waters und Otis Spann spielte, zwei meiner größten Idole. Ich war total eingeschüchtert, nicht, weil ich fürchtete, musikalisch nicht mithalten zu können. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich gegenüber den Typen verhalten sollte. Sie waren unglaublich. Sie trugen todschicke weite Seidenanzüge und waren verdammt lässig. Es waren echte Männer, und auf der anderen Seite stand ich, ein schlaksiger weißer Junge. Aber es lief prima. Wir nahmen einen Song mit dem Titel »Pretty Girls Everywhere I Go« auf, und ich spielte Lead über Muddys Rhythmusgitarre, während Otis sang und Klavier spielte. Ich fühlte mich wie im Himmel, und sie schienen auch ganz zufrieden mit dem, was ich abgeliefert hatte.
    Etwa zu jener Zeit fingen die Leute an, über mich zu sprechen, als wäre ich eine Art Genie, und ich hörte, dass irgendjemand den Slogan »Clapton is God« an die Wand der U-Bahn-Station Islington geschrieben hatte, der sich danach wie Graffiti in ganz London ausbreitete. Ich fand das ein wenig mysteriös und suchte diesem Rummel einerseits zu entfliehen, weil ich solche Prominenz nicht wollte und ahnte, dass sie Probleme mit sich bringen würde. Andererseits gefiel mir die Vorstellung, dass das, was ich all die Jahre gepflegt hatte, endlich Anerkennung fand. Aber natürlich lernten die Leute durch mich auch Musik kennen, die neu für sie war, und mir wurde eine Ehre zuteil, als ob ich selbst den Blues erfunden hätte.
    Es gab haufenweise amerikanische Gitarristen, die technisch besser waren als ich, neben den berühmten Bluesern auch eine Menge weißer Musiker. Zum Beispiel Reggie Young, ein Studiomusiker aus Memphis und einer der besten Gitarristen, die ich je gehört hatte. Ich hatte ihn mit der Bill Black Combo auf der Tour mit den Ronettes gesehen. Zwei weitere waren Don Peake, den ich mit den Everly Brothers gesehen hatte, und James Burton, der auf den Ricky-Nelson-Alben mitspielt. Zu den englischen Gitarristen, die mich beeindruckt hatten, gehörten Bernie Watson und Albert Lee, die beide bei den Savages spielten, der Band von Screaming Lord Sutch. Bernie und Sutchs Pianist Andy Wren waren überragende Musiker, die ihrer Zeit weit voraus waren. Ich erinnere mich, dass ich sie einmal den Big-Maceo-Song »Worried Life Blues« spielen hörte und Bernie dabei die Saiten zog, was er lange vor allen anderen beherrschte. Auch Jeff Beck und Jimmy Page schätzte ich durchaus, auch wenn ihre Wurzeln im Rockabilly lagen, während ich vom Blues kam. Ich mochte ihre Musik, und es gab auch keine Konkurrenz zwischen uns; wir spielten einfach einen anderen Stil.
    Insgeheim fand ich diese ganze »Clapton is God«-Geschichte wie gesagt auch sehr nett. Ich war bei den Yardbirds rausgeflogen und durch Jeff Beck ersetzt worden. Unmittelbar danach hatten sie eine Serie von Hits, was mich wurmte und weshalb mir jedes Lob recht war, das ich bekam, ohne mich verkaufen oder im Fernsehen vermarkten zu müssen.
    Im Frühsommer 1965 lebte ich jedoch nach wie vor in Johns Haus in Lee Green und verbrachte viel Zeit mit einer Clique, die sich in einer Wohnung in Long Acre in Covent Garden traf. Die Wohnung gehörte einer Frau namens Clarissa, der Freundin von Ted Milton. Ted war ein wirklich außergewöhnlicher Mensch, ein Poet und Visionär, den ich bei Ben Palmer kennengelernt hatte. Er war der erste Mensch, den ich Musik habe körperlich interpretieren sehen. Wir waren in Bens Haus, und nach dem Essen legte er eine Howlin’Wolf-Platte auf und begann, mit Mimik, Gesten und seinem ganzen Körper auszudrücken, was er gerade hörte. Als ich ihn sah, begriff ich, wie man Musik wirklich leben konnte, wie man sie umfassend hören und auf eine Art lebendig werden lassen konnte, dass sie Teil des eigenen Lebens wurde. Für mich war es eine echte Offenbarung. Ted und Clarissa wohnten im zweiten Stock in einer Wohnung mit mehreren Zimmern, einem langen Flur und einer großen Küche, diese Wohnung war eine Zeit lang der

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