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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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obersten Stock der Pheasantry, eines historischen Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert, benannt nach den Fasanen, die hier einst für den königlichen Haushalt gezüchtet wurden. Wir hatten eine große Küche, drei Schlafzimmer und ein riesiges Wohnzimmer mit wunderschönem Holzboden und fantastischer Sicht aus den Dachfenstern. Ich dekorierte mein Zimmer ganz im Stil der damaligen Zeit in Rot und Gold.
    In der Pheasantry lebten wir in einer großen Wohngemeinschaft zusammen. Martin und ich teilten uns jeweils ein Zimmer mit unseren Freundinnen Eija und Charlotte. Im dritten Zimmer wohnten ein weiterer Maler, Philippe Mora, und seine Freundin Freya. Im Erdgeschoss befand sich ein riesiges Atelier, das der Porträtmaler Timothy Widbourne gemietet oder gekauft hatte, der unten emsig damit beschäftigt war, die Queen zu porträtieren, während wir uns oben leise die Birne zuknallten. Der blühendste und vielleicht imposanteste Charakter unserer Truppe war jedoch David Litvinoff.
    Litvinoff war einer der außergewöhnlichsten Menschen, denen ich je begegnet bin, ein flinkzüngiger Jude aus dem East End mit einem erstaunlichen Intellekt, dem es anscheinend scheißegal war, was irgendjemand von ihm hielt, obwohl ich weiß, dass es ihn sehr wohl und bisweilen schmerzhaft kümmerte. Er redete ohne Punkt und Komma und sprang von einem Thema zum anderen. Er hatte stechende blaue Augen, kantige Züge und eine große Narbe im Gesicht, die Folge einer Auseinandersetzung mit den Brüdern Kray, wie er gern erzählte. Den genauen Grund habe ich nie erfahren und traute mich auch nicht zu fragen, obwohl er offenbar stolz auf seine Narbe war.
    Litvinoff erzählte mir, dass er früher in der Fleet Street als Zuträger für die Klatschkolumne von William Hickey im Daily Express gearbeitet habe und dabei in allerlei heikle Situationen geraten sei, in denen Leute ihm häufig unter der Hand Geld gegeben hätten, damit ihr Name nicht in der Kolumne auftauchte. Er kannte sich sehr gut mit Musik aus, sodass wir viel gemeinsam hatten, außerdem war er sehr witzig und selbstironisch. Ich weiß noch, wie ich einmal mit ihm über die Kings Road ging und eine Bemerkung über sein Hemd machte. »Ach, das Scheißding?«, fragte er und riss es sich unter der Jacke vom Leib. Oder wir saßen in einem Café um die Ecke, dem »Picasso«, und er ging verbal auf jeden los, der hereinkam. Er trat auf Menschen zu, die er noch nie gesehen hatte, fuchtelte mit dem Finger vor ihrer Nase herum und hielt Schmähreden über ihre Herkunft oder ihre Fehler, bevor er das Ganze irgendwie gegen sich selbst wendete, als wollte er die Person, die er beschimpft hatte, wieder rehabilitieren. Er war absolut ungewöhnlich, und ich hatte ihn wirklich sehr gern.
    Eines Tages erwähnte ich Litvinoff gegenüber, dass mein Lieblingsdrama Der Hausmeister sei und dass ich den Film bestimmt schon hundertmal gesehen habe. Daraufhin deutete er an, dass er den Mann kenne, nach der Pinters Figur des Landstreichers gestaltet sei. Und ehe ich mich versah, kreuzte er mit dem Typ auf. Er hieß John Ivor Golding, war ein ausgereifter Penner und trug eine Nadelstreifenhose und eine Art Gehrock über etlichen Schichten von Kleidung. Er war recht eloquent, aber auch ziemlich verrückt. Genau wie Davies in dem Drama zog er bei uns ein, manipulierte uns mit seinem Charme und übernahm das Kommando. Danach wurden wir ihn nicht mehr los, und soweit ich mich erinnern kann, wohnte er immer noch dort, nachdem ich ausgezogen war.
    1967 war die Pheasantry ein großartiger Ort zum Wohnen. Sie lag in der Mitte der Kings Road, wo ein buntes Treiben herrschte, und fußläufig zu allen Lokalen, in denen ich abhing. Ich trug damals eine Mischung aus historischen Kleidern und Secondhandklamotten, aber auch neuen Sachen, die ich in Läden wie dem Chelsea Antique Market, Hung On You oder Granny Takes A Trip kaufte. Ich schlenderte häufig in Begleitung von Litvinoff vom Picasso zum World’s End, schaute bei Granny’s vorbei und spazierte zurück zur Pheasantry, wo immer irgendjemand auf eine Tasse Tee und einen Joint vorbeikam. Die Zahl der unterschiedlichen Gesichter, die im Laufe eines Nachmittags hereinschauten, war verblüffend, und aus unserem »Nachmittagstee« wurde jedes Mal ein ganzer Abend mit Musik. Sei es, dass wir die erste Raubkopie von Dylans Basement Tapes hörten, die Litvinoff eines Tages präsentierte, oder die Acetatkopie eines neuen Beatles-Songs, oder dass ich einfach in der Ecke saß und

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