Mein Leben
psychedelische Fantasie verwandelten und dabei nicht nur Vorder- und Rückseite des Korpus, sondern auch Hals und Griffbrett bemalten.
Ich war häufiger Gast im Speakeasy, einem Club für Musiker in der Margaret Street. Laurie O’Leary, der für die Kray-Brüder die Geschäfte von Esmeralda’s Barn geführt hatte, managte ihn zusammen mit seinem Bruder Alphi. Im Speakeasy warf ich zu jener Zeit auch meinen ersten LSD-Trip ein. Ich war mit meiner Freundin Charlotte in dem Club, als die Beatles mit einer Acetatkopie ihres neuen Albums Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band hereinkamen. Wenig später kreuzten auch noch die Monkees auf, und Micky Dolenz fing an, Tabletten zu verteilen, die seiner Auskunft nach STP hießen. Ich hatte keine Ahnung, was das war, aber irgendjemand erklärte mir, dass es sich dabei um ein superstarkes Acid handelte, dessen Wirkung tagelang anhalten würde. Wir nahmen alle eine Tablette bis auf Charlotte, die für den Notfall verabredungsgemäß nüchtern blieb. Wenig später überreichte George dem DJ die Acetatkopie. Obwohl ich vor den Beatles keinesfalls in Ehrfurcht erstarrte, war mir bewusst, dass dies für alle Anwesenden ein ganz besonderer Augenblick war. Die Musik der Beatles hatte sich im Laufe der Jahre entwickelt, und dieses Album sollte nach allgemeiner Erwartung ihr Meisterwerk werden. Angeblich war es unter dem Einfluss von Acid entstanden, deshalb war es eine unglaubliche Erfahrung, es zum ersten Mal in diesem Zustand zu hören. Die Beatles hatten sich, vielleicht beeinflusst von George, mit indischem Mystizismus beschäftigt, und im Club waren zwischenzeitlich »Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna, Hare Hare«-Gesänge zu hören. Irgendwann schlug das Acid an, und wir tanzten zu den Klängen von »Lucy in the Sky« und »A day in the Life«. Ich muss zugeben, dass es ein wirklich bewegender Moment war.
Gegen sechs Uhr morgens strömten wir alle miteinander auf die Straße, wo uns auf der gegenüberliegenden Seite eine größere Ansammlung von Polizisten erwartete. Mir kam es vor, als wären es Hunderte. Womöglich hatte irgendjemand ihnen den Tipp gegeben, dass die Beatles sich in dem Laden anturnten. Doch als wir dann herauskamen, schienen die Polizisten wie erstarrt. John Lennon trat mit Lulu im Arm aus dem Speakeasy, und wie auf ein Stichwort fuhr sein wunderbarer, handlackierter Rolls Royce vor und hielt vor dem Club. John stieg ein und zeigte den Polizisten ein Victory-Zeichen, als wäre er von einem Kraftfeld umgeben. Sie standen wie gelähmt da, was wir anderen nutzten, um uns ebenfalls aus dem Staub zu machen. Ich blieb drei Tage lang high. Ohne Charlottes Begleitung wäre ich wahrscheinlich verrückt geworden. Die meiste Zeit sah ich die Welt durch eine mit Hieroglyphen und mathematischen Gleichungen beschriftete Scheibe, und ich weiß noch, dass ich kein Fleisch essen konnte, weil es wie das lebendige Tier aussah. Eine Zeit lang machte ich mir Sorgen, ob und wann die Wirkung wieder nachlassen würde.
Charlotte Martin war ein wunderschönes französisches Model. Ich hatte sie einige Monate zuvor ebenfalls im Speakeasy kennengelernt, und sie war eine der größten Lieben meines Lebens. Schon als ich sie zum ersten Mal sah, war ich hingerissen. Sie war eine strenge, klassisch französische Schönheit mit langen Beinen und einer umwerfenden Figur, aber wirklich angetan hatten es mir ihre Augen. Sie hatten eine leichte Abwärtsneigung und wirkten deshalb vage orientalisch und immer ein wenig traurig. Wir wurden sofort ein Paar und zogen wenig später zusammen in eine Wohnung in Regent’s Park, die David Shaw, dem Partner Stigwoods und finanziellen Kopf der Organisation, gehörte.
Charlotte war ein unglaubliches Mädchen, das sich mehr für Film, Kunst und Literatur als für das Modeln interessierte, und wir hatten eine großartige Zeit miteinander. Eines Abends saßen wir mit ein paar Freunden im »Speak«, als ein australischer Freund von ihr namens Martin Sharp zu uns stieß. Als er erfuhr, dass ich Musiker war, erzählte er mir, dass er ein Gedicht geschrieben habe, das seiner Ansicht nach einen Songtext abgeben würde. Ich hatte zufälligerweise gerade eine Idee im Kopf, die von einem meiner Lieblingssongs inspiriert war, »Summer in the City« von den Lovin’ Spoonful. Deshalb bat ich ihn, mir das Gedicht zu zeigen. Er schrieb es auf eine Serviette und gab sie mir. Es begann mit den Worten ...
You thought the leaden winter would bring you down
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