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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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Moment lang war die Spannung im Raum unerträglich. Die unausgesprochene Wahrheit war endlich heraus. Und sie erwiderte sehr freundlich: »Ich glaube, nach allem, was sie für dich getan haben, ist es das Beste, wenn du deine Großeltern weiter Mum und Dad nennst.« In diesem Augenblick fühlte ich mich komplett zurückgewiesen.
    Obwohl ich versuchte, es zu verstehen und zu akzeptieren, war es mir unbegreiflich. Ich hatte erwartet, dass sie mich in die Arme schließen und dorthin mitnehmen würde, wo immer sie herkam. Die Enttäuschung war unerträglich und schlug beinahe unmittelbar in Hass und Wut um. Die Situation wurde für alle rasch schwierig. Ich gab mich mürrisch und verschlossen und wies jede Zuneigung zurück, so wie auch ich mich zurückgewiesen fühlte. Nur meine Tante Audrey, Jacks Schwester, konnte zu mir durchdringen. Ich war ihr Lieblingsneffe, und sie kam mich einmal die Woche besuchen, brachte mir Spielsachen und Süßigkeiten mit und versuchte ganz behutsam, mich zu erreichen. Häufig beschimpfte ich sie und war unverhohlen gemein zu ihr, aber tief drinnen war ich ihr sehr dankbar für ihre Liebe und Aufmerksamkeit.
    Die Situation wurde auch nicht leichter dadurch, dass Pat, die zur Vermeidung komplizierter und peinlicher Erklärungen in der Öffentlichkeit weiter als meine »Schwester« firmierte, fast ein Jahr blieb. Weil sie aus Übersee stammten und einen kanadischen Akzent hatten, wurden ihre Kinder im Dorf wie Stars behandelt. Ich hatte das Gefühl, beiseitegeschoben zu werden. Ich hegte sogar einen Groll gegen meinen kleinen Halbbruder Brian, der zu mir aufblickte und immer mitkommen und mit meinen Freunden spielen wollte. Eines Tages bekam ich einen Wutanfall und stürmte aus dem Haus auf die Dorfwiese. Pat lief mir nach, aber ich drehte mich nur um und rief: »Ich wünschte, du wärst nie hierhergekommen! Ich wünschte, du würdest weggehen!« Und in diesem Moment fiel mir ein, wie idyllisch mein Leben bis zu diesem Tag tatsächlich gewesen war. Es war ganz einfach gewesen, nur ich und meine Eltern, und obwohl ich wusste, dass sie eigentlich meine Großeltern waren, bekam ich alle Aufmerksamkeit, und im Haus herrschte wenigstens Liebe und Harmonie. Aufgrund dieser neuen Komplikation wusste ich einfach nicht, wohin mit meinen Gefühlen.
    Die Ereignisse zu Hause hatten auch drastische Auswirkungen auf meine schulische Laufbahn. Damals musste man mit elf Jahren eine Prüfung namens »Eleven plus« ablegen, mittels derer entschieden wurde, auf welche weiterführende Schule man gehen sollte, die Grammar School, eine Art Gymnasium für die Jahrgangsbesten, oder eine Secondary Modern School, eine Art Realschule für die Schüler mit den schlechteren Noten. Die Prüfung fand in einer fremden Schule statt, das heißt, wir wurden in Busse gestopft und an einen unbekannten Ort gefahren, wo wir einen ganzen Tag lang getestet wurden. Ich fiel in allen Fächern durch, weil ich in der unvertrauten Umgebung vor lauter Unsicherheit und Angst keine Antwort herausbrachte und miserabel abschnitt. Das war mir allerdings ziemlich egal, denn wenn ich in Guildford oder Woking auf die Grammar School gegangen wäre, wäre ich von meinen Freunden getrennt worden, die wohl alle keine akademische Laufbahn anstrebten. Sie waren eher an Sport interessiert und betrachteten Schulbildung mit einer gewissen Verachtung. Und falls Jack und Rose überhaupt enttäuscht gewesen sein sollten, haben sie es sich nicht anmerken lassen.
    Also landete ich auf der St. Bede’s Secondary Modern School im Nachbardorf Send, wo ich tatsächlich begann, Neues zu entdecken. Es war der Sommer 1956, Elvis führte die Hitparaden an. In der Schule lernte ich einen Jungen kennen, der neu in Ripley war. Er hieß John Constantine und war der Sohn einer wohlhabenden Mittelschichtfamilie, die am Rand des Dorfes wohnte. Wir wurden Freunde, weil wir beide so anders waren als alle anderen. Während alle unsere Mitschüler Cricket- oder Fußballfans waren, standen wir mehr auf Kleidung und 78er-Schallplatten, wofür wir uns jede Menge Hohn und Spott anhören mussten. Wir waren als »die Spinner« bekannt. Ich besuchte ihn oft, und seine Eltern besaßen eine Kombination aus Radio und Grammophon, wie ich sie noch nie gesehen hatte. John hatte Elvis’ Nummer-Eins-Single »Hound Dog«, die wir ständig hörten. Irgendetwas an dieser Musik war einfach unwiderstehlich, und sie wurde von einem Musiker gemacht, der nicht viel älter und überhaupt so war wie

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